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Frostnacht

Frostnacht

Titel: Frostnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indridason
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genauso gut Beispiele dafür, dass diese Zuwanderer sich nicht eingliedern lassen wollen, sie heiraten untereinander und dergleichen. Sie wollen unter sich sein und halten sich von der Gesellschaft fern.«
    »In den Westfjorden hat es meines Erachtens am besten geklappt«, sagte Elínborg. »Da leben Menschen vieler Nationalitäten, soweit ich weiß aus ein paar Dutzend Ländern, auf einem relativ kleinen Gebiet zusammen, und dort respektiert man andere Kulturen und die andere Herkunft der Leute, die sich hier in Island eine Existenzgrundlage verschaffen wollen.«
    »Was meiner Meinung nach geschehen ist, wenn ich damit fortfahren darf«, sagte Erlendur, »ist Folgendes: Sunee hat Schutz bei ihren Leuten gesucht. Sie vertraut uns nicht und hat Niran an einen Ort gebracht, von dem sie glaubt, dass er sicherer ist. Ich denke, wir sollten unsere Fahndung darauf ausrichten. Sie sucht Schutz bei den Menschen, denen sie vertraut, und das sind ihre eigenen Leute.«
    Elínborg nickte zustimmend.
    »Das klingt nicht unwahrscheinlich«, sagte sie. »Es dreht sich also nicht zwangsläufig um etwas, was Niran weiß oder getan hat.«
    »Das wird sich herausstellen«, sagte Erlendur.
    Gegen Mittag erhielten sie von der Schule eine Liste mit den Namen der Jungen, von denen man annahm, dass Niran den meisten Umgang mit ihnen hatte, in der Schule und in seiner Freizeit. Die Liste war Sigurður Óli und Elínborg ausgehändigt worden, und sie machten sich auf den Weg. Vier Namen befanden sich darauf, alles Jungen aus Zuwandererfamilien. Einer war thailändischer Abstammung, zwei kamen von den Philippinen und einer aus Vietnam. Außer dem thailändischen Jungen waren alle in Asien geboren und mehr als zehn Jahre alt gewesen, als sie nach Island zogen. Sie hatten Probleme damit, sich in der isländischen Gesellschaft zurechtzufinden.
    Erlendur verbrachte den Rest des Morgens damit, Marian Briems Beerdigung vorzubereiten. Er setzte sich telefonisch mit einem Bestattungsunternehmen in Verbindung. Der Tag für die Beerdigung wurde festgelegt. Danach formulierte er die Todesanzeige für die Zeitungen. Er rechnete nicht damit, dass viele zur Beerdigung kommen würden, deswegen verwarf er den Gedanken an einen Leichenschmaus. Marian hatte Anweisungen hinterlassen, wie die Trauerfeier vonstattengehen sollte, den Pastor genannt und die Lieder, die gespielt werden sollten. Erlendur hielt sich in allen Einzelheiten daran.
    Nachdem er diese Vorbereitungen so weit wie möglich erledigt hatte, widmete er sich wieder der Suche nach Andrés’ Stiefvater, an den sich Marian Briem erinnert hatte. Möglicherweise war es der Mann, den Andrés aus purem Zufall in seinem Stadtviertel gesehen hatte. Erlendur fand den Namen von Andrés Mutter heraus und das Geburtsdatum des Sohnes. Anschließend blätterte er im Einwohnerverzeichnis von Reykjavík des Zeitraums, in dem Andrés aufgewachsen war. Den Angaben zufolge hatte Andrés im Alter von vier Jahren seinen Vater verloren, danach war die Mutter allein mit ihrem Sohn eingetragen. Soweit Erlendur feststellen konnte, war Andrés ihr einziges Kind. Falls sie für eine kürzere oder längere Zeit mit einem oder verschiedenen Männern zusammengelebt hatte, waren er oder sie nicht angemeldet gewesen, abgesehen von einem Mann, von dem sich aber herausstellte, dass er vor dreizehn Jahren gestorben war. Erlendur ging die Adressen durch, unter denen die Frau eingetragen war. Sie war anscheinend ständig umgezogen. Sie hatte in der Altstadt und im Skuggahverfi gelebt, dann im Breiðholt-Viertel, als es gerade gebaut wurde. Von da aus zog sie ins Vogar-Viertel und schließlich nach Grafarvogur. Gestorben war sie in den frühen neunziger Jahren. Auf den ersten Blick fand er keine Spur dieses Stiefvaters, den Marian auf dem Sterbebett erwähnt hatte.
    Da er nun schon einmal im Archiv der Polizei war, beschloss Erlendur, sich die Polizeiprotokolle anzusehen, die über Zwischenfälle mit rassistischem und ausländerfeindlichem Hintergrund berichteten. Er wusste zwar, dass andere Mitarbeiter der Kriminalpolizei mit diesem Aspekt des Falls befasst waren, ließ sich aber dadurch nicht beirren. Er ging meistens seine eigenen Wege und scherte sich nicht darum, welche Aufgaben man ihm im Rahmen einer Ermittlung zugeteilt hatte. Insgesamt waren über zwanzig Mitarbeiter mit Elías’ Fall befasst, und jeder hatte seinen fest definierten Aufgabenbereich. Sie ließen sich darüber informieren, wer das Land verließ und wer

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