Frozen Time (German Edition)
hält. Einige weitere bekunden lautstark ebenfalls ihre Zustimmung.
»Und wie soll das gehen?«, unterbricht Robin die erhitzte Diskussion. »Wie wollt ihr das anstellen?« Obwohl Robin mit seinem Einwand recht hat, finde ich es bemerkenswert, dass in der Gruppe der Abgetauchten, die bisher nicht viel mehr getan haben, als sich zu verstecken, um zu überleben, nun der gemeinsame Wille auftaucht, gegen die skrupellosen Machenschaften der Regierung vorzugehen.
In das plötzliche Schweigen hinein, das auf Robins Einwand folgt, sagt Milo mit seiner ruhigen, tiefen Stimme: »Ich habe einen anderen Vorschlag. Unsere einzige Chance, etwas gegen
Projekt Frozen Time
zu unternehmen, ist, bekannt zu machen, was wir darüber wissen.«
Das stimmt! Wenn alle Bürger erfahren, was im Keller des ForschungsCenters wirklich passiert, muss das zu massiven Protesten führen. Dann wird die Regierung sich vielleicht gezwungen sehen, das Projekt zu stoppen. Auch die anderen nicken zustimmend, nur Robin wirkt noch immer zweifelnd.
»Und wie willst du das machen? Niemand würde uns glauben«, gibt er zu bedenken.
»Wir werden ihnen zeigen, was wir gesehen haben«, entgegnet Milo entschieden. »Wenn sie es mit eigenen Augen sehen, werden sie es glauben.«
Robin schüttelt den Kopf. »Woher willst du solche Aufnahmen bekommen?«
»Die habe ich schon.« Mit einer beinah gelangweilten Handbewegung streicht Milo seine störrischen Haare aus dem Gesichtund schiebt sie hinters Ohr. Dann tippt er gegen das SmartSet, das dahinterklemmt.
»Du hast alles aufgezeichnet?« Ich bin mindestens so verblüfft wie die anderen. Dass Milo in dieser schrecklichen Situation daran gedacht hat, alles, was wir gesehen haben, mit seinem SmartSet festzuhalten, macht mich sprachlos.
»Das ist eine der ersten Lektionen, die sie uns in der MediAusbildung beigebracht haben.« Milo grinst, aber es wirkt nicht fröhlich. »Protokolliere alles, was du tust. Es gibt nur ein Problem«, fährt er ungerührt fort. »Die Aufzeichnungen liefern keinen Beweis für unseren eigentlichen Verdacht, dass die Teilnehmer an
Frozen Time
diese Organe tatsächlich erhalten.«
»Stimmt«, sage ich enttäuscht. Doch dann gelangt der Gedanke, der mir eben noch entwischt ist, in mein Bewusstsein. So logisch, so klar, dass ich nicht begreife, warum ich nicht längst darauf gekommen bin. Vielleicht, weil dieser Gedanke so ungeheuerlich ist, dass mein Unterbewusstsein mich davor beschützen wollte.
»Milo … «, bringe ich mühsam heraus. Mir ist speiübel. Ich schlage mir die Hand vor den Mund, springe auf und taumele in den Nebenraum, wo ich das Wenige, was ich im Magen habe, in das ungenutzte Spülbecken der Küchenzeile erbreche.
»Tessa?« Milo ist mir gefolgt. Vorsichtig legt er mir von hinten die Hand auf die Schulter. Ich kann mich nicht umdrehen, würge und kämpfe gegen die Tränen.
»Tessa«, wiederholt Milo. Mit sanftem Druck dreht er mich zu sich. Mit dem Ärmel meines viel zu großen Kittels wische ich mir durchs Gesicht, meine Augen sind starr auf einen Fleck neben Milos Schulter gerichtet, ich will ihn nicht ansehen. Daschiebt er die Finger unter mein Kinn und zwingt mein Gesicht nach oben, bis ich in seine dunklen Augen schauen muss. Schwarze Augen, denke ich. Wütende Augen. Aber die Wut gilt nicht mir.
»Es ist alles in Ordnung«, sagt Milo und nimmt mich in den Arm. Endlich nimmt er mich in den Arm! Aber es fühlt sich nicht tröstlich an, weil es für mich in diesem Moment keinen Trost geben kann.
»Nichts ist in Ordnung«, schluchze ich an seiner Schulter. Die Tränen lassen sich nicht zurückhalten. Ich würde mir wünschen, dass ich mit ihnen alles aus mir herausspülen kann.
»Womöglich haben sie es bei mir auch getan«, flüstere ich erstickt in Milos Kittel. »Vielleicht haben sie meine Organe auch ausgetauscht.«
Milo nickt, ich spüre sein Kinn auf meinem Kopf.
»Ja, vielleicht«, stimmt er mir zu. So wie er es sagt, ohne jede Aufregung, wird mir bewusst, dass ihm der Gedanke längst gekommen sein muss.
»Das halte ich nicht aus«, sage ich. »Das könnte ich nicht ertragen.«
»Ich weiß.« Milo drückt mich fest an sich.
Minutenlang stehen wir einfach nur so da. Und während Milo mich hält, versiegen meine Tränen und mein Entsetzen verwandelt sich ebenfalls in Wut. Wenn sie mir das angetan haben, denke ich, dann werden sie es bereuen!
Schließlich löse ich mich aus Milos Arm, straffe meine Schultern und atme tief durch.
»Ich will es
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