Frozen Time (German Edition)
Schritt zur Seite, als sie Doreen und mich in Begleitung eines Kollegen kommen sehen. Die Türen gleiten auf, wir treten hindurch und mit uns schieben sich fünf Schaulustige durch die Lücke in der Absperrung. Besser könnte es nicht klappen.
Als der Alarm an der Eingangstür losgeht, weil ich ja dieses Mal kein Insignal mit einer Zugangsberechtigung trage, interessiert sich keiner der Officer für mich. Stattdessen stürzen sie sich auf die fünf anderen unberechtigten Eindringlinge, umringen sie mit vorgehaltenen Elektroschockern und befördern sie innerhalb weniger Sekunden zurück vor die Türen, die sich automatisch hinter ihnen schließen.
Doreen ist kaum merklich zusammengezuckt, als der Alarm ausbrach, nun hat sie sich wieder im Griff. Auch ich zwinge mich, gleichmäßig zu atmen, während wir zielstrebig auf die Lifts zulaufen. In der Eingangshalle sind mittlerweile fast ebenso viele Menschen unterwegs, wie vor dem Portal warten.
Die Halle ist für die Ankunft der Präsidentin und der anderen Kongressteilnehmer geschmückt worden. Farbige Leuchtdioden blinken auf der gläsernen Galerie, die sich in der zweiten Etage im Halbrund erstreckt. Das Podium für die Ansprache der Präsidentin ist ebenfalls fertig, davor stehen mehrere Stuhlreihen für die honorigen Gäste aus allen zehn Metropolen. Direkt vor der Bühne bauen die Vertreter der Staatsmedien gerade ihre Holokameras auf.
Auch vor den Lifts hat sich eine längere Warteschlange gebildet. Jeder Lift befördert maximal vier Personen, um zu verhindern, dass es darin zu eng wird. Es dauert also eine Weile, bis wir an die Spitze der Wartenden vorgerückt sind. Doreen hält ihr Insignal vor das ScanPad, die Lifttür öffnet sich, ein Medi mittleren Alters im hellgrünen Kittel will hinter uns ebenfalls den Lift betreten, doch Doreen stoppt ihn mit einem freundlichen Lächeln und einer entschiedenen Handbewegung.
»Wir müssen nach unten«, erklärt sie bestimmt. Wenn der Medi verwundert ist, lässt er es sich nicht anmerken, respektvoll neigt er den Kopf vor der Senior und verlässt den Lift wieder, kurz bevor die Tür sich schließt.
»Nicht schlecht«, bewundere ich Doreens Reaktion. Sie lächelt mir flüchtig zu. Nur jemand, der sie so gut kennt wie ich, kann die unterdrückte Anspannung in ihrem Gesicht sehen.
»Zehnte Etage«, startet Doreen wie besprochen unser Ablenkungsmanöver. Während der Lift nach oben saust, entledige ich mich des blauen Kittels und der passenden Hose, darunter kommt die weiße, blutbefleckte Patientenkleidung zum Vorschein, die ich mir von Kimmy geborgt habe. Schnell leere ich die Taschen des blauen Kittels, bevor ich ihn falte und unterdem weißen Kittel in den Bund der Patientenhose stopfe. Der Lift hat bereits angehalten.
»Untergeschoss«, befiehlt Doreen nun der Sprachsteuerung.
»Bitte Zugangsberechtigung scannen«, ertönt augenblicklich die Antwort aus dem Deckenlautsprecher des Lifts.
Doreen hält ihr Insignal vor das ScanPad neben der Lifttür.
»Keine Zugangsberechtigung.«
Genau damit habe ich gerechnet. Schnell ziehe ich das verpackte Insignal von Kimmy hervor, wickle es aus und halte es ebenfalls vor den Scanner. Es dauert einige Sekunden, dann erklingt ein Räuspern, das definitiv von einem Menschen stammt.
»Patientenkennung identifiziert«, sagt ein Mann. »Was ist passiert?«
»Ich habe hier eine Patientin aufgelesen«, antwortet Doreen mit fester Stimme. »Es scheint ihr nicht gut zu gehen, und ich dachte mir, ich sollte sie vielleicht besser auf die Station zurückbringen, wo sie sicher schon vermisst wird.«
»Das ist sehr freundlich«, entgegnet der Mann. Wieder knackt es, dann ist die gleiche körperlose Stimme wie eben aus dem Lautsprecher zu hören: »Zugangsberechtigung erteilt.«
Der Lift saust in die Tiefe.
KAPITEL 20
Als der Lift stoppt, lasse ich meinen Körper schwer gegen Doreen sinken, die augenblicklich stützend einen Arm unter meinen schiebt. Die Haare meiner Perücke fallen über mein Gesicht, sicher wird der Medi, der uns erwartet, sich wundern, dass ich nicht kahlköpfig bin wie Kimmy, aber viel Zeit, um sich darüber Gedanken zu machen, wird ihm hoffentlich nicht bleiben. Die Tür des Lifts gleitet auf, und durch halb geschlossene Augen erkenne ich, dass wir bereits erwartet werden. Ein Senior-Medi, der, was ungewöhnlich ist, eine Glatze trägt, hat sich unmittelbar vor dem Lift positioniert. Seine breiten Schultern in dem dunkelgrünen Kittel machen deutlich, dass es an
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