Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fruchtbarkeit - 1

Fruchtbarkeit - 1

Titel: Fruchtbarkeit - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
Vom Netzwerk:
bin todmüde! Ich habe gestern auswärts diniert und bin erst um ein Uhr ins Bett gekommen. Und heute früh der Berg von Arbeit vor mir! Man braucht wahrhaftig eine eiserne Gesundheit, um das auszuhalten.«
    Bis jetzt hatte er sich als ein erstaunlicher Arbeiter von ganz ungewöhnlicher Kraft und Widerstandsfähigkeit erwiesen. Außerdem hatte er Proben eines nie versagenden Instinktes für glückbringende Operationen gegeben. Des Morgens der erste in der Fabrik, sah er alles, sah alles voraus, durchdrang das ganze Getriebe mit seiner fortreißenden Energie, so daß sich die Ziffer der Geschäfte von Jahr zu Jahr fast verdoppelte. Aber seit einiger Zeit überkam ihn manchmal eine Ermüdung, Er war stets gewohnt gewesen, stark zu genießen, neben seinem arbeitsvollen Leben einen breiten Raum den Freuden zuzuteilen, denen, die er eingestand, und denen, die er nicht eingestand; so daß gewisse Vergnügungen ihn nun, wie er sagte, kaputt machten.
    Er betrachtete Mathieu.
    »Sie sind wie ein Baum. Wie stellen Sie es an, daß Sie nie ermüdet aussehen?«
    Der junge Mann schien in der Tat, wie er da vor seinem Zeichentische stand, die unverwüstliche Gesundheit einer Eiche zu besitzen. Groß und schlank, hatte er die hohe und breite Stirn der Froment. Er trug sein dichtes Haar kurz geschnitten, fein spitzgeformter Bart kräuselte sich ein wenig. Und was seinem Gesichte hauptsächlich das Gepräge gab, das waren seine Augen, tief und klar, lebhaft und nachdenklich zugleich, und fast immer lächelnd. Ein Mann des Gedankens und der Tat, einfach und heiter, und gut dabei.
    »Oh, ich.« erwiderte er lachend, »ich führe mich brav auf.«
    Aber Beauchêne protestierte.
    »Ah, nein. Sie führen sich nicht brav auf! Man ist nicht brav, wenn man mit siebenundzwanzig Jahren schon vier Kinder hat. Und zwei davon, Ihr Blaise und Ihr Denis, Zwillinge auch noch, gleich als Anfang! Und dann Ihr Ambroise, und Ihre kleine Rose! Ohne das Mädchen zu rechnen, welches Sie vor dieser letzten bei der Geburt verloren haben. Das würde schon fünf machen. Unglücklicher! Nein, nein, ich bin der Brave und Kluge, ich, der ich nur eines habe und mich zu beschränken weiß, als vernünftiger und überlegender Mann!«
    Das waren die gewohnten Neckereien, durch die aber eine wirkliche Aergerlichkeit schlug, mit welchen er das junge, sorglose Paar, die Fruchtbarkeit seiner Cousine Marianne überschüttete, die er als skandalös erklärte.
    Mathieu, an diese Angriffe gewöhnt, die ihm nichts von seiner Heiterkeit nahmen, fuhr fort zu lachen, ohne auch nur zu antworten, als ein Arbeiter eintrat, Vater Moineaud, wie man ihn in der Fabrik nannte, obgleich er kaum dreiundvierzig Jahre zählte, kurz und stämmig, mit rundem Kopf, einem Stiernacken, Gesicht und Hände von mehr als viertelhundertjähriger Arbeit durchfurcht und gegerbt. Er war Monteur, und er kam, um dem Chef über eine Schwierigkeit zu berichten, die sich bei der Aufstellung einer Mähmaschine ergeben hatte. Aber dieser ließ ihm keine Zeit, den Zweck seines Kommens zu erklären, so hitzig war er dabei, sich gegen die zu zahlreichen Familien zu ereifern.
    »Und Sie, Vater Moineaud, wieviel Kinder haben Sie?«
    »Sieben, Monsieur Beauchêne,« erwiderte der Arbeiter ein wenig verdutzt. »Drei sind mir gestorben.«
    »Das würde also zehn machen. Das ist ja recht hübsch. Wie sollen Sie denn da nicht alle miteinander verhungern?«
    Auch Moineaud hatte zu lachen angefangen, als richtiger leichtherziger, sorgloser Pariser Arbeiter, dem kein andres Vergnügen erreichbar war, als das seine Frau ihm bot. Die Kleinen, das wuchs so eins nach dem andern hervor, ohne daß er es gar bemerkte, und er fand sogar viel Freude an ihnen, solange sie nicht aus dem Nest ausgeflogen waren. Und dann, das arbeitete auch, das verdiente einiges. Aber er zog es vor, sich mit einem Scherzworte zu entschuldigen.
    »Ja, Monsieur Beauchêne, nicht ich kriege die Kinder, sondern meine Frau.«
    Alle drei lachten, und nachdem der Arbeiter endlich sein Anliegen vorgebracht hatte, folgten ihm die beiden andern, um zu untersuchen, woran die Schwierigkeit liege. Sie waren im Begriff, in einen Gang einzubiegen, als es dem Chef, der die Tür zu der Frauenwerkstätte offen sah, einfiel, den Weg durch diese zu nehmen, um in gewohnter Weise einen prüfenden Blick in den Arbeitsraum zu werfen. Es war ein langer und weiter Saal, in welchem die Poliererinnen in schwarzen Wollblusen in zwei Reihen vor ihren kleinen Arbeitstischen saßen

Weitere Kostenlose Bücher