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Fruchtbarkeit - 1

Fruchtbarkeit - 1

Titel: Fruchtbarkeit - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Nachkommenschaft und der Entvölkerung war eine von denen, welche er von Grund auf zu beherrschen meinte und über welche er sich gern in tönender Rede erging. Er bestritt vorerst die Kompetenz Doktor Boutans, den er als überzeugten Apostel zahlreicher Familien kannte, indem er scherzend sagte, daß ein Geburtshelfer in dieser Frage kein unbefangenes Urteil haben könne. Dann brachte er vor, was er oberflächlich von Malthus wußte, die Theorie von der geometrischen Progression der Geburten und der mathematischen Progression der Lebensmittel, von der in zwei Jahrhunderten übervölkerten Erde und der der Hungersnot überlieferten Menschheit. Es sei die Schuld der Armen, wenn sie Hungers stürben; sie brauchten bloß sich zu beschränken, nur die Anzahl von Kindern hervorzubringen, die sie ernähren können. Die Reichen, die man fälschlicherweise der sozialen Uebeltat beschuldige, seien, weit entfernt für das Elend verantwortlich zu sein, im Gegenteil die einzig richtig Handelnden, diejenigen, welche, indem sie ihre Familie beschränkten, ihre Bürgerpflicht erfüllten. Und triumphierend wies er darauf hin, daß er sich nichts vorzuwerfen habe, daß das stetige Wachsen seines Vermögens ihn ruhig im Gewissen lasse: um so schlimmer für die Armen, wenn sie arm bleiben wollen! Vergebens erwiderte ihm der Doktor, daß die Malthusische Theorie längst hinfällig sei, daß sie sich auf die mögliche Vermehrung, anstatt auf die wirkliche Vermehrung stütze; vergebens bewies er ihm, daß die gegenwärtige ökonomische Krise, die ungleiche Verteilung der Güter unter der Herrschaft des Kapitalismus die verwerfliche und die einzige Ursache des Elends sei und daß an dem Tage, wo eine gerechte Verteilung der Arbeit vollzogen sei, die fruchtbare Erde mit Leichtigkeit eine vermehrte und glückliche Menschheit ernähren werde; der andre weigerte sich, darauf zu hören, verschanzte sich gleißnerisch hinter seinem Egoismus, indem er erklärte, daß dies alles ihn nicht kümmere, daß er über seinen Reichtum keine Gewissensbisse empfinde und daß diejenigen, welche auch reich werden wollten, eigentlich nichts andres zu tun hätten, als seinem Beispiel zu folgen.
    »Das wäre also das wohlüberlegte Ende Frankreichs, wie?« sagte Boutan ironisch. »Die Ziffer der Geburten steigt in England, in Deutschland, in Rußland kontinuierlich, während sie sich bei uns erschreckend vermindert. Wir nehmen der Zahl nach schon jetzt nur noch einen verhältnismäßig untergeordneten Rang in Europa ein; und die Zahl ist heutzutage mehr als je die Macht. Man hat berechnet, daß im Durchschnitt jede Familie vier Kinder haben muß, um jene Vermehrung der Bevölkerung zu bewirken, welche nötig ist, damit die Nation wachse, gedeihe und ihre Machtstellung behaupte. Sie haben nur ein Kind, Sie sind ein schlechter Patriot.«
    Beauchêne ereiferte sich, geriet außer sich, überschrie sich.
    »Ich ein schlechter Patriot? Ich, der sich zu Tode arbeitet, ich, der ich Maschinen sogar ins Ausland verkaufe! Gewiß, ja, ich sehe Familien um mich, unter unsern Bekannten, welche sich erlauben könnten, vier Kinder zu haben, und ich gebe zu, daß diese sehr zu tadeln sind, wenn sie sie nicht haben. Aber ich, mein Lieber, ich kann nicht! Sie wissen, daß ich, in meiner Lage, absolut nicht kann!«
    Und er entwickelte zum hundertstenmal seine Gründe, er erzählte, wie die Fabrik nahe daran gewesen war, zerstückelt, vernichtet zu werden, weil er das Unglück gehabt habe, eine Schwester zu besitzen. Sérafine habe schändlich gehandelt, zuerst die Mitgift, und dann, nach dem Tode ihres Vaters, die erzwungene Teilung, welche bewirkte, daß die Fabrik durch ein bedeutendes Geldopfer hatte gerettet werden müssen, wodurch ihr Gedeihen eine Zeitlang schwer beeinträchtigt wurde. Und man bilde sich ein, daß er die Unklugheit seines Vaters wiederholen, sich der Gefahr aussetzen würde, seinem kleinen Maurice einen Bruder oder eine Schwester zu geben, damit dieser eines Tages sich in derselben entsetzlichen Lage sähe, in welcher das väterliche Erbe damals hätte vom Untergang ereilt werden können! Nein, nein! Er werde ihn nicht in diese Situation bringen, da das Gesetz nun einmal so schlecht, gemacht sei. Er wolle, daß er alleiniger Herr dieses Vermögens sei, das er von seinem Vater übernommen habe und das er ihm vermehrt übergeben werde. Er wolle für ihn den gewaltigen Reichtum, das kolossale Vermögen, welches allein heute die Macht bedeute.
    Constance,

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