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Fruchtbarkeit - 1

Fruchtbarkeit - 1

Titel: Fruchtbarkeit - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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und die Stücke mit Bimsstein abrieben, um sie dann an die Schleifmühlen weiterzugeben. Fast alle waren jung, manche hübsch, die meisten mit unschönen und gewöhnlichen Gesichtern. Und ein animalischer Geruch vermengte sich mit dem ranzigen Oeles.
    Die Hausordnung verlangte absolutes Schweigen während der Arbeit. Alle schwätzten jedoch. Als sie den Chef bemerkten, verstummten sie plötzlich. Nur eine, die, nach der andern Seite blickend, nichts sah, fuhr fort, sich wütend mit einer andern zu zanken. Es waren die zwei Schwestern, gerade die Töchter des Vaters Moineaud: Euphrasie, die jüngere, diejenige, welche schrie, ein siebzehnjähriges mageres Persönchen mit mattem blondem Haar, länglichem Gesichte und spitzen Zügen, unhübsch und boshaft aussehend; und die ältere, Norine, kaum neunzehn, ein hübsches Mädchen, auch eine Blondine, aber mit milchfarbener Haut, kräftig und üppig, mit Schultern und Armen und Hüften, einem leuchtenden Gesichte, verrückten Haaren und schwarzen Augen, von der ganzen sonnigen, reifen Schönheit der Pariserin.
    Schadenfroh ließ Norine ihre Schwester weiterzanken, glücklich darüber, daß sie bei einem Vergehen ertappt wurde. Beauchêne mußte dazwischentreten. Er zeigte sich in der Regel sehr streng in der Frauenwerkstätte, ließ keinerlei Nachgiebigkeit walten, denn er hatte bisher an dem Grundsatze festgehalten, daß ein Chef, welcher sich herbeiläßt, mit seinen Arbeiterinnen zu scherzen, verloren ist. Und in der Tat, trotz seines großen Mannsappetits, den er, wie man sagte, außer dem Hause befriedigte, wußte man auch nicht das kleinste Geschichtchen über eine seiner Arbeiterinnen und ihn zu erzählen, er hatte noch keine berührt.
    »Nun, Mademoiselle Euphrasie, werden Sie endlich schweigen? Das ist unanständig! Sie werden zwanzig Sous Strafe zahlen, und wenn ich Sie noch einmal höre, so werden Sie auf acht Tage ausgeschlossen.«
    Das Mädchen hatte sich erschrocken umgedreht; und halb erstickend vor Wut warf sie ihrer Schwester, welche sie leicht hätte warnen können, einen haßerfüllten Blick zu. Aber diese fuhr fort zu lächeln, mit ihrer diskreten Miene des begehrenswerten hübschen Mädchens dem Chef gerade ins Gesicht sehend, als ob sie sicher wäre, daß sie nichts mehr zu fürchten habe. Ihre Augen trafen sich, vergaßen sich zwei Sekunden lang ineinander; und er fuhr fort, mit geröteten Wangen und zorniger Stimme, an alle gewendet:
    »Sowie die Aufseherin den Rücken wendet, schnattert ihr wie die Elstern. Hütet euch, oder ihr habt es mit mir zu tun!«
    Moineaud, der Vater, war während der ganzen Szene unbewegt geblieben, als ob die beiden Mädchen, die, welche der Chef ausschalt, und die, welche er verstohlen anblickte, nicht seine Töchter wären. Die drei Männer nahmen ihren Rundgang wieder auf und verließen die Frauenwerkstätte inmitten einer Totenstille, in welcher man nur das Knirschen der kleinen Schleifmaschinen hörte.
    Nachdem die Schwierigkeit bei der Montierung behoben war und der Arbeiter seine Weisungen erhalten hatte, ging Beauchêne zu seiner Wohnung hinauf und nahm Mathieu mit sich, welcher Constance die Einladung überbringen wollte, mit der Marianne ihn betraut hatte. Ein Verbindungsgang führte von den schwarzen Fabrikgebäuden hinüber zu dem luxuriösen Wohnhause am Kai. Sie fanden Constance in einem kleinen gelben Atlassalon, den sie bevorzugte, neben einem Sofa sitzend, auf welchem Maurice, der verhätschelte einzige Sohn, der eben sieben Jahre alt geworden, ausgestreckt lag.
    »Ist er krank?« fragte Mathieu.
    Der Knabe war seinem Vater sehr ähnlich, ziemlich plumpen Körpers, mit breiten Kinnladen. Aber er war blaß und hatte schwere, ein wenig geränderte Augenlider. Und die Mutter, »diese Besenstange«, eine kleine Brünette, ohne Teint, gelb und welk mit ihren sechsundzwanzig Jahren, betrachtete ihn mit einem Ausdruck egoistischen Stolzes.
    »O nein, er ist nie krank,« erwiderte sie. »Nur fühlt er eine Müdigkeit in den Beinen, daher habe ich ihn sich hinlegen lassen und habe gestern abend an Doktor Boutan geschrieben, er möge heute früh kommen.«
    »Bah!« rief Beauchêne mit lautem Lachen, »die Frauen sind doch alle gleich. Ein Bursch, der stark ist wie ein Bär! Das möchte ich doch sehen, daß der Kerl da nicht solid gebaut sei!«
    Gleich darauf trat Doktor Boutan ein, ein kleiner, beleibter Mann in den Vierzigern mit sehr klugen Augen in seinem vollen, glattrasierten Gesichte, aus welchem große Güte

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