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Fruchtbarkeit - 1

Fruchtbarkeit - 1

Titel: Fruchtbarkeit - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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welche die Hand des Knaben mit dem bleichen Gesicht nicht losgelassen hatte, betrachtete ihn mit außerordentlichem, leidenschaftlichem Stolze, jenem Stolze des Reichtums bei dem Industriellen und Financier, welcher ebenso ehrgeizig und streitbar ist wie der Stolz des Namens bei dem Abkömmling eines altadligen Geschlechtes. Er sollte der einzige sein, einmal König werden, einer der Fürsten der Industrie, Herr der neuen Welt! »Ja, mein Herzblatt, sei ruhig, du wirst weder Bruder noch Schwester haben, darüber sind wir ganz einig. Und wenn dein Papa sich vergessen sollte, so ist deine Mama da, welche dafür sorgen würde.«
    Dies gab Beauchêne seine laute Heiterkeit wieder. Er kannte seine Frau als viel eigensinniger als er, viel entschlossener, die Familie zu begrenzen. Er, derb und sinnlich, bestrebt, das Leben zu genießen, tat das Seine ziemlich ungeschickt für die Unterschlagung im ehelichen Alkoven und entschädigte sich im übrigen auswärts; und sie wußte es vielleicht, duldete es, drückte die Augen zu gegen etwas, was sie nicht hindern konnte.
    Er bückte sich nun seinerseits und küßte das Kind.
    »Hörst du, Maurice? Es ist so, wie Mama sagt: wir werden uns beim Storch kein zweites bestellen.«
    Und sich gegen Boutan wendend:
    »Sie wissen, Doktor, die Frauen haben schon ihre Mittelchen.«
    »Ach!« erwiderte dieser sanft. »Ich habe kürzlich eine behandelt, die daran gestorben ist.«
    Beauchêne brach wieder in tolles Gelächter aus; während Constance, verletzt, sich stellte, als verstände sie nicht. Und Mathieu, der keinen Anteil am Gespräch genommen hatte, blieb ernst, denn diese Frage des Nachwuchses besaß für ihn ein furchtbares Gewicht, schien ihm die Mutter aller Fragen, diejenige, welche über das Schicksal der Menschheit und der Welt entscheidet. Kein großer Fortschritt ist gemacht worden, ohne daß ein Uebermaß des Nachwuchses ihn hervorgerufen hätte. Wenn die Völker sich entwickelt haben, wenn die Zivilisation sich verbreitet hat, so ist es, weil jene sich an Zahl vervielfachten, um sich dann über alle Länder der Erde zu ergießen. Und die Entwicklung von morgen, die Wahrheit. die Gerechtigkeit, wird sie nicht erzwungen werden durch die fortwährende Vermehrung der größten Zahl, die revolutionäre Fruchtbarkeit der Arbeiter und der Armen? Alles dies sagte er sich freilich nicht ganz deutlich, schämte sich sogar bereits ein wenig seiner vier Kinder, verwirrt durch die unleugbare Klugheit der Ratschläge, welche die Beauchénes ihm gaben. Aber in ihm kämpfte ein unbesiegbarer Glauben an das Leben, das angeborene Gefühl, daß die größtmögliche Menge von Leben das größtmögliche Glück herbeiführen müsse. Ein jedes Wesen wird nur geboren, um zu zeugen, um Leben zu übertragen und zu verbreiten. Und es gibt auch eine Freude des Werkzeuges, des Arbeiters, der reichlich sein Teil geleistet hat.
    »Also Marianne und ich, wir rechnen auf Sie in Janville, nächsten Sonntag?«
    Er hatte noch keine Antwort erhalten, als ein Diener eintrat und meldete, daß eine Frau mit einem Kinde auf dem Arm Madame zu sprechen wünsche. Beauchêne, der die Frau Moineauds, des Monteurs, erkannt hatte, ließ sie eintreten. Boutan, der sich bereits erhoben hatte, blieb neugierig.
    Die Moineaude war kurz und dick wie ihr Mann, etwa vierzig Jahre alt, vorzeitig verwelkt, mit einem fahlen Gesichte, wässerigen Augen, schwachem und entfärbtem Haar, einem schlaffen Munde, in welchem schon viele Zähne fehlten, Ihre zahlreichen Entbindungen hatten sie entstellt, und sie vernachlässigte sich.
    »Nun, liebe Frau, was wünschen Sie?« fragte Constance.
    Aber die Moineaude war betreten, in Verlegenheit gebracht durch alle diese Leute, welche sie hier zu finden wohl nicht erwartet hatte. Sie hatte gehofft, mit Madame allein zu sprechen, und sie schwieg.
    »Das ist Ihr Jüngstes?« fragte Beauchêne, indem er das bleiche und schwächliche Kind ansah, das sie auf dem Arme trug.
    »Ja, Monsieur, das ist mein kleiner Alfred; er ist zehn Monate alt, und ich habe ihn entwöhnen müssen, weil die Milch ausblieb. Vor dem hatte ich neun, von denen drei gestorben sind. Mein Aeltester, Eugène, ist Soldat, da drunten, wo der Teufel gute Nacht sagt, in Tongking. Meine großen Mädchen, Norine und Euphrasie, arbeiten in Ihrer Fabrik. Und zu Hause habe ich noch drei, Victor, der fünfzehn Jahre alt ist, dann Cécile und Irma, zehn und sieben Jahre alt. Dann war’s aus, und ich habe nun geglaubt, ich hätte es für

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