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Fruehling

Fruehling

Titel: Fruehling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Maria Rilke
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werden, – und gegenüber, wie viel Trägheit, Zerstreuung und Halbwillen auf unserer Seite.
    A. Kippenberg I (25. 3. 1910), 200
    J a, die Frühlinge brauchten dich wohl. Es muteten manche
Sterne dir zu, daß du sie spürtest. Es hob
sich eine Woge heran im Vergangenen, oder
da du vorüberkamst am geöffneten Fenster,
gab eine Geige sich hin. Das alles war Auftrag.
Aber bewältigtest du's? Warst du nicht immer
noch von Erwartung zerstreut, als kündigte alles
eine Geliebte dir an? (Wo willst du sie bergen,
da doch die großen fremden Gedanken bei dir
aus und ein gehn und öfters bleiben bei Nacht.)
Sehnt es dich aber, so singe die Liebenden; lange
noch nicht unsterblich genug ist ihr berühmtes Gefühl.
    Werke I (aus der ersten Duineser Elegie), 686
    S eit gestern steht eine große Schale mit Veilchen hier, wie selten wag ich Blumen zu holen; denn auch zu ihnen ist mir die Liebe eine Mühsal geworden, ihr gelassenes, zerstreutes, träumerisches Wohltun steht in keinem Verhältnis zu meiner angestrengten Bemühung, sie abzuschneiden und anzuordnen, ich finde, sie machen ungeheuere Ansprüche. Was für Gespenster überall, Magda. Voriges Jahr gegen den Frühling hin, nach meiner Rückkehr aus Spanien, traf es sich so, dass einzelne Bekannte mir manchmal Blumen brachten, ich kann Dir versichern, sie hätten mir nichts Schlimmeres anthun können. Einmal (wie soll man so etwas je wieder vergessen!) war ich den ganzen Tag fortgewesen in der Umgebung, spät abends kam ich zurück, vor meiner Thür im Treppenhaus lagen eine große Menge Blumen, freie, vom Land hereingeholte und hohe blühende Zweige von Pfirsich und Apfel, sie waren sicher das Wunderbarste, was man da finden konnte. Ist es nun lächerlich oder entsetzlich: ich arbeitete, todmüde, zwei Stunden, die
se Blüthen bei mir unterzubringen, kein Gefäß schien hoch genug für die schweren sich spreizenden Äste, wenn ich meinte, es bewältigt zu haben, so waren immer noch Blumen da, mit meinem Licht entdeckte ich sie, im Dunkeln, an den unmöglichsten Stellen, auf der Erde, in Lehnsesseln, quer über den Büchern, ich konnte mich nicht entsinnen, sie hingelegt zu haben. Ich suchte nach einem anderen Glas, ich kam zurück, mein Licht blendete mich in der hohen Finsternis, ich fand die Blumen nicht mehr, ich fand andere. Ach die sahen so müde aus, wie in Ohnmacht, – man hatte sie gewiss den ganzen Tag in der Hand getragen, welke Menschenwärme war an den Stengeln, mein Gewissen regte sich, ich fühlte, man sollte viel für sie thun. Da kniete ich und hatte meine Kerze zu ihnen auf die Erde gestellt und wollte sie auseinanderlösen und that ihnen sicher nicht, was sie brauchten; wenn ich aufsah, so stand der Schatten des Gezweigs an der Wand, wider mich, wie eine riesige Kralle. Und wie's schließlich doch gethan war, da warf ich, im Vorübergehen, das hohe Gefäß mit den Zweigen um, eine Fluth Wassers ergoss sich herüber – – – Giebts eine Hölle, Magda, giebts eine Hölle? Wenns einer träumt, dann darf er doch aufwachen. Mir waren diese Nachtstunden als bekäm ich ein bitterstes Weinen in Stücken ins Herz gedrückt, und sollte es dort nach und nach lösen und hätte nur dazu meine innerste Wärme. Verzeih, dass ich Dir das erzähl, ach Liebe.
    Hattingberg (19. 2. 1914), 129 f.
    I ch bin wie die kleine Anemone, die ich einmal in Rom im Garten gesehen habe, sie war tagsüber so weit aufgegangen, daß sie sich zur Nacht nicht mehr schließen konnte. Es war furchtbar sie zu sehen in der dunkeln Wiese, weit
offen, immer noch aufnehmend in den wie rasend aufgerissenen Kelch, mit der vielzuvielen Nacht über sich, die nicht alle wurde. Und daneben alle die klugen Schwestern, jede zugegangen um ihr kleines Maaß Überfluß. Ich bin auch so heillos nach außen gekehrt, darum auch zerstreut von allem, nichts ablehnend, meine Sinne gehn, ohne mich zu fragen, zu allem Störenden über, ist da ein Geräusch, so geb ich mich auf und bin dieses Geräusch, und da alles einmal auf Reiz Eingestellte, auch gereizt sein will, so will ich im Grunde gestört sein und bins ohne Ende. Vor dieser Öffentlichkeit hat sich irgend ein Leben in mir gerettet, hat sich an eine innerste Stelle zurückgezogen und lebt dort, wie die Leute während einer Belagerung leben, in Entbehrnis und Sorge. Macht sich, wenn es bessere Zeiten gekommen glaubt, bemerklich durch die Bruchstücke der Elegieen, durch eine Anfangszeile, muß wieder zurück, denn draußen ist immer die gleiche

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