Fruehling
ein Moment, unverpflichtet, von vornherein zeitlos; nicht zu halten, aber auch nicht eigentlich wieder zu verlieren, indem unter ihrer Erschütterung unser Wesen sich gewissermaßen chemisch verändert, nicht nur, wie es im Glück der Fall sein mag, in einer neuen Mischung sich selber kostet und genießt.
Briefe I (Ilse Erdmann, 31. 1. 1914), 476 f.
N atur ist glücklich. Doch in uns begegnen
sich zuviel Kräfte, die sich wirr bestreiten:
wer hat ein Frühjahr innen zu bereiten?
Wer weiß zu scheinen? Wer vermag zu regnen?
Wem geht ein Wind durchs Herz, unwidersprechlich?
Wer faßt in sich der Vogelflüge Raum?
Wer ist zugleich so biegsam und gebrechlich
wie jeder Zweig an einem jeden Baum?
Wer stürzt wie Wasser über seine Neigung
ins unbekannte Glück so rein, so reg?
Und wer nimmt still und ohne Stolz die Steigung
und hält sich oben wie ein Wiesenweg?
Werke II , 449
S chmetterling, das meine und das ihre,
der Natur und meins, wie du's verbrückst:
unser Glück, wenn du an dem Spaliere
leicht, wie in Entwürfen, weiterrückst.
Eben schien ich mir noch unberechtigt,
dieses Künftigen ein Teil zu sein;
denn du glaubst nicht, wie es uns verdächtigt,
unser Herz, das schwer ist und allein.
Doch nun hast du meines Blickes Faden
eingezogen ins Aprilgeweb,
und ich tu dem frohen Teppich Schaden,
wenn ich noch im Webstuhl widerstreb.
Werke II , 124
N ie hat Dauer und Wahnsinn des Krieges mich eindringlicher bedrängt, als in diesen Wochen. Dazu diese Unlust im Jahr, – aufzuwachen und jeden Morgen diesen kalt triefenden Schnee zu sehen, der in den gleichgültigsten Abständen den teilnamslosen Raum mustert, ich kann mir nichts Anstehenderes vorstellen – –, und doch, wenn das Andere natürlich Künftige schließlich einsetzt, der Vorfrühling, der Frühling selbst, – ich weiß nicht, wirds nicht noch quälender, ja unmöglich sein, in so obstinat arger untergängiger Welt am Arglosesten und Hoffendsten sein menschlich Teil zu haben?
K. Kippenberg (23. 4. 1917), 226
I ch nehme an, Sie sind nun schon ganz in Lautschin installiert; war der Frühling dort auch so reich und schon gleich sommerhaft? Hier war er von unerhörter Gleichzeitigkeit des Blühens, aber ich konnte ihn nicht mitmachen, so weit schien mir das Menschliche diesmal ins Arge fortgerückt, aus allem Glück und Gleichmuth der Natur hinaus.
Taxis II (11. 6. 1917), 504
DIE HAND
S iehe die kleine Meise,
hereinverirrte ins Zimmer:
zwanzig Herzschläge lang
lag sie in einer Hand.
Menschenhand. Einer zu schützen entschlossenen.
Unbesitzend beschützenden.
Aber
jetzt auf dem Fensterbrett
frei
bleibt sie noch immer im Schrecken
sich selber
und dem Umgebenden fremd,
dem Weltall, erkennts nicht.
Ach so beirrend ist Hand
selbst noch im Retten.
In der beiständigsten Hand
ist noch Todes genug
und war Geld
Werke II , 463
DAS XXVI. SONETT AN ORPHEUS
W ie ergreift uns der Vogelschrei …
Irgend ein einmal erschaffenes Schreien.
Aber die Kinder schon, spielend im Freien,
schreien an wirklichen Schreien vorbei.
Schreien den Zufall. In Zwischenräume
dieses, des Weltraums, (in welchen der heile
Vogelschrei eingeht, wie Menschen in Träume –)
treiben sie ihre, des Kreischens, Keile
Wehe, wo sind wir? Immer noch freier,
wie die losgerissenen Drachen
jagen wir halbhoch, mit Rändern von Lachen,
windig zerfetzten. – Ordne die Schreier,
singender Gott! daß sie rauschend erwachen,
tragend als Strömung das Haupt und die Leier.
Werke I , 768 f.
Q uellen, sie münden herauf,
beinah zu eilig.
Was treibt aus Gründen herauf,
heiter und heilig?
Läßt dort im Edelstein
Glanz sich bereiten,
um uns am Wiesenrain
schlicht zu begleiten.
Wir, was erwidern wir
solcher Gebärde?
Ach, wie zergliedern wir
Wasser und Erde!
Werke II , 162
E s scheint immer wieder, daß die Natur nichts davon weiß, daß wir sie bebauen und uns eines kleinen Teils ihrer Kräfte ängstlich bedienen. Wir steigern in manchen Teilen ihre Fruchtbarkeit und ersticken an anderen Stellen mit dem Pflaster unserer Städte wundervolle Frühlinge, die bereit waren, aus den Krumen zu steigen. Wir führen die Flüsse zu unseren Fabriken hin, aber sie wissen nicht von den Maschinen, die sie treiben. Wir spielen mit dunklen Kräften, die wir mit unseren Namen nicht erfassen können, wie Kinder mit dem Feuer spielen, und es scheint einen Augenblick, als hätte alle Energie bisher ungebraucht in den Dingen gelegen, bis wir kamen, um sie auf unser flüchtiges Leben und seine Bedürfnisse
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