Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Frühlingserwachen (Winterwelt Trilogie) (German Edition)

Frühlingserwachen (Winterwelt Trilogie) (German Edition)

Titel: Frühlingserwachen (Winterwelt Trilogie) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Stoye
Vom Netzwerk:
Entscheidung und der Niederlage liegt dann nur noch ein Wimpernschlag. Mit dem Moment, da das Opfer seine Lippen auf die der Muse presst, erkennt es erst, was es wirklich bedeutet, zu leiden. Der erste Kuss einer Muse bringt niemals Erlösung, sondern nur die ewige Verdammnis, immer mehr davon zu wollen. Einzig der unmittelbare Augenblick davor, die willenlose Resignation, lindert die Qualen. Es ist alles, was dem Opfer bleibt.“
    „Er wartet also darauf, dass ich ihn küsse, weil sich nur das für ihn auszahlen wird?“, fragte Arrow stirnrunzelnd. „Aber es heißt doch immer von der Muse geküsst...
    „Ich kenne das Sprichwort, doch es ist nichts weiter als die Verdrehung von Tatsachen. Seltsamerweise macht es die meisten Opfer sehr viel leichtsinniger. Vor allem Menschen sind von dieser Art romantischen Irrglaubens sehr angetan. Genau genommen müsste es eigentlich von der Muse gelockt heißen. Aber dann würde die Redensart natürlich viel von ihrer Wirkung verlieren, und das wäre nicht im Sinne einer Muse.“
    Arrow musterte ihn fragend. Schon während ihrer gesamten Reise gab Harold viele Geheimnisse über die Musen preis. Doch im Grunde war er noch immer einer von ihnen. Nicht wissend, was sie davon halten sollte, entgegnete sie: „Du sprichst diese Worte, als würdest du das alles verfluchen.“
    Kraftlos schaute Harold ihr in die Augen. „Was mich betrifft, muss man die ganze Sache von mehr als nur einem Blickwinkel aus betrachten. Einerseits ist es die einzige Möglichkeit der Nahrungsaufnahme einer Muse. Ihrem Opfer winkt unvorstellbare Inspiration mit Ausmaßen, die es ohne die Hilfe ihres Jägers nicht einmal ansatzweise erreichen könnte. Auf der anderen Seite ist meine letzte Mahlzeit schon viele Jahre her. So wunderbar Sallys Speisen auch immer geschmeckt haben, gesättigt haben sie mich nie. Im Grunde habe ich sie somit vergebens zu mir genommen. Ich bin ein Verdammter. Auch wenn Elaine es damals nur gut mit mir gemeint hat, ist es nichts weiter als ein unwürdiges Dasein. Ihr Schutz hat meinen Zustand eingefroren. Auch heute bin ich noch genauso kraftlos und verspüre ich noch immer den gleichen Hunger wie zu dem Zeitpunkt, als sie mir ihre Tränen gegeben hat. Das Einzige, was mir geblieben ist, ist Zeit, und ein Verdammter verbringt jede einzelne Sekunde davon nur damit, nachzudenken. Inzwischen sind mir so viele Dinge klar geworden. Vor allem aber weiß ich jetzt, dass ich ein Leben als Muse niemals für mich selbst gewählt hätte.“
    „Aber dann hättest du Darren nie kennen gelernt“, gab Arrow erschrocken zurück.
    „Vielleicht. Aber womöglich wäre er dann noch am Leben.“
    „Das weißt du doch gar nicht.“
    Müde wandte Harold seinen Blick ab. „So oder so – das alles spielt jetzt keine Rolle mehr. Wir wissen nicht, was hätte sein können, sondern nur, was ist. Im Moment kommt es allein darauf an, dass wir die Welt hinter den Welten finden und du vorher nicht deiner Muse zum Opfer fällst.“
    Als Harold sich von ihr abwandte, packte Arrow ihn an der Schulter. „Würdest du genauso denken, wenn du wieder mit Darren zusammen wärst? Wenn du ihn hier finden und die Ewigkeit mit ihm zusammen verbringen könntest?“
    „Wir wissen beide, dass das nie geschehen wird.“
    „Und warum bist du dann hierher gekommen?“
    „In der Hoffnung, ihn irgendwann vergessen zu können – so wie du Keylam vergessen hast.“
    Harold sah sie nicht an, doch Arrow wusste, dass er Tränen in den Augen hatte, als er sich von ihr entfernte.
    Keylam – das war ein schöner Name, doch mehr auch nicht. Weder sah sie eine Person dazu vor ihrem inneren Auge noch weckte es irgendwelche Gefühle in ihr. Doch wer wusste schon, ob es ihn überhaupt gegeben hatte, diesen Keylam? Vielleicht war er nur eine schöne Erfindung, um Arrow von William abzulenken. Was ihn anging, wusste sie inzwischen, dass Harold die Wahrheit sprach, doch in Bezug auf Keylam zweifelte sie.
    „Hast du gut geschlafen?“, fragte William mit sanfter Stimme und riss Arrow damit aus ihren Gedanken.
    Einen Moment lang musterte sie ihn. Wie er da so vor ihr stand, hatte er nichts von dem William, dem sie gerade noch in ihren Träumen begegnet war. Sein schwarzes Haar schimmerte seicht im schwachen Licht der Dämmerung, seine Kleider saßen perfekt wie immer und sein Gesichtsausdruck wirkte freundlich und ausgeruht. Arrows Verstand sagte ihr, dass sie ihm besser aus dem Weg gehen sollte, doch ihr Herz flüsterte, dass sie ihm damit

Weitere Kostenlose Bücher