Frühlingserwachen (Winterwelt Trilogie) (German Edition)
Unrecht tun würde. Ihr gegenüber hatte er sich stets höflich und hilfsbereit verhalten, alles Andere waren nur Spekulationen und Träume. Aber welche Art von Träumen? Arrow fühlte sich zu ihm hingezogen. Auf sie wirkte er wie das lodernde Feuer in der absoluten Finsternis. Und sie war nicht viel mehr als eine naive, ahnungslose Motte, die dem Feuer nicht widerstehen konnte, obwohl sie genau wusste, dass es sie verbrennen würde.
Was ihn anging, hatte sie noch keine Entscheidung getroffen. Natürlich wusste sie inzwischen, dass er in Bezug auf Harold gelogen hatte. Diese Frage stellte sich nicht mehr. Trotzdem war sie sich noch immer nicht sicher, ob sie seinen Rufen nachgeben sollte. Logisch gesehen sollte sie besser die Finger von ihm lassen, doch gefühlsmäßig konnte sie sich nicht dazu durchringen. Innerlich hoffte sie auf eine Lösung, die beide Aspekte bestmöglich miteinander verknüpfen würde, was eigentlich einen Widerspruch an sich darstellte. Denn seit wann hatte Logik was mit Gefühlen zu tun?
„Ist alles in Ordnung?“, fragte William besorgt.
Arrow nickte. „Alles gut“, antwortete sie mit einem Lächeln. „Wir sollten aufbrechen. Irgendetwas sagt mir, dass wir uns schon viel zu lange an diesem Ort aufgehalten haben.“
„Kennst du denn auch den Weg, der dich in dein Verderben führen wird?“, fragte Harold, der sich zwischenzeitlich wieder gefasst hatte.
„Nein“, antwortete Arrow. „Aber ich wüsste jemanden, der mich vermutlich dorthin leiten kann.“
Für den Fenriswolf war es eine Kleinigkeit, die Titanglasflasche mit Hilfe seines kräftigen Kiefers zu zerbrechen. Immerhin war er ein Gott und diese Tatsache musste ja neben den Ärger bringenden Seiten auch nützliche Vorteile bergen. Ohne große Worte zu verlieren, schwebten die frechen Biester durch die Dämmerung. Triumphierend dachten sie sich niveaulose Schimpfworte für Arrow aus und beteuerten immer wieder, dass sie es schon bald bereuen würde, sie gefangen gehalten und anschließend wieder befreit zu haben. Doch Arrow hatte dafür kein Ohr. Ihre Gedanken waren noch immer weit entfernt. Gelegentlich drang dabei der Name Keylam durch, und sie erfreute sich immer wieder über seinen schönen Klang. Ansonsten dachte sie, wie so oft, wieder einmal über William nach. Aber so sehr sie diese Art von Verliebtheit auch schätzte, fing sie auf der anderen Seite an, ihr langsam, aber sicher auf die Nerven zu gehen. Ständig über jemanden nachdenken zu müssen, den man nicht wirklich einordnen konnte, empfand sie mittlerweile als anstrengend. Dass William ihr gegenüber nicht immer aufrichtig gewesen war, wusste Arrow inzwischen. Auf der anderen Seite wäre sie ohne seine Hilfe aber auch nicht an diesen Ort gelangt. Diese ganze Geschichte um Musen wirkte zunehmend kompliziert und bereitete ihr sogar Kopfschmerzen. Doch so sehr sie im Grunde nicht mehr über ihn nachdenken wollte, schlich er sich zunehmend in ihre Gedanken zurück.
„Denkst du schon wieder über ihn nach?“, fragte Harold, der die Antwort auf diese Frage bereits zu wissen schien.
„Ist es immer so anstrengend, verliebt zu sein?“, fragte Arrow gequält und zugleich dankbar, dass sie sich nicht länger mit sich selbst unterhalten musste.
„Du hältst deine Gefühle ihm gegenüber für Liebe?“, fragte Harold spöttisch.
„Was sollte es sonst sein?“
„Begierde, Leidenschaft – Dinge, die sehr leicht mit Liebe verwechselt werden können. Oft haben sie auch etwas damit zu tun. Aber das trifft nur dann zu, wenn es sich nicht um eine Muse handelt.“
„Du scheinst dir deiner Worte ja sehr sicher zu sein“, entgegnete Arrow kraftlos.
„Das bin ich auch“, gab Harold ganz selbstverständlich zurück. „Und wenn du dich an Keylam erinnern könntest, würdest du wissen, dass ich die Wahrheit sage. Aber vielleicht gab es vor ihm einen Mann in deinem Leben. Dann könntest du die Gefühlslagen von damals mit der jetzigen vergleichen.“
Arrow dachte nach. Hatte es schon mal einen Mann in ihrem Leben gegeben, dem gegenüber sie romantische Gefühle gehegt hatte? „Vor langer Zeit hatte ich einmal das Gefühl in Dewayne verliebt zu sein“, sagte sie nachdenklich. „Mittlerweile glaube ich allerdings, dass es nur die unbedeutende Schwärmerei eines Mädchens auf der Stufe zum Erwachsenwerden war.“
„Dewayne?“, entgegnete Harold verblüfft. „Du überrascht mich. Normalerweise bleibt einer alten Liebe immer etwas anhaften, ganz gleich wie
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