Frühlingserwachen (Winterwelt Trilogie) (German Edition)
es auch Dinge gegeben, die sie sich in ihren schlimmsten Träumen nicht hätte ausmalen wollen. Eines dieser Ereignisse war der Grund, warum sie sich jetzt gerade in der Unterwelt von Frostriesen jagen ließ. Aber das gehörte zum Leben dazu. Licht und Schatten gingen immer Hand in Hand. Das war bei jedem anderen Geschöpf so und machte auch vor ihr nicht Halt. Doch das Licht hielt seine schützende Hand über sie und hatte bisher immer dafür gesorgt, die Schattenseiten wieder auszugleichen. Denn vor ihr hatte es bestimmt nicht sehr viele lebende Seelen gegeben, für die sich ein Tor zur Unterwelt geöffnet hatte, damit sie ihre Fehler wiedergutmachen konnten. Das Licht war ihr Schicksal. Es glaubte an sie. Genau deshalb wollte sie ihr Glück nun auch nicht im Stich lassen und gab ihm etwas von dem Glauben zurück, das es in sie setzte.
Plötzlich geriet der Fenriswolf aus dem Gleichgewicht. Arrow wusste gar nicht, wie ihr geschah, doch sie fiel. Der Boden war hart und fühlte sich eiskalt an. Das konnte nur bedeuten, dass die Frostriesen unmittelbar in ihrer Nähe waren.
Sie hatte Schwierigkeiten, sich zu orientieren, denn bis sie stoppte, rollte sie noch eine gefühlte Ewigkeit. Nur verschwommen nahm sie dabei zwei große Gestalten wahr, die sich langsam auf sie zubewegten. Noch bevor sie genau mitbekam, was um sie herum geschah, schoss der Fenriswolf an ihr vorbei und ging mit kräftigem Knurren auf die Riesen los.
Ängstlich flüchtete Arrow sich zu einem der Bäume. Unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen, sah sie zu, wie der Wolf mit ihren Verfolgern kämpfte. Die Hetzjagd hatte ihnen zweifellos genauso zugesetzt wie ihr und ihrem Freund, denn auch sie waren außer Atem.
Was sollte sie jetzt nur machen? Der Fenriswolf war zwar unglaublich stark, doch er würde nicht beide Riesen im Zaum halten können. Schon jetzt gelang es ihm kaum noch, sie davon abzubringen, immer näher an Arrow heranzukommen.
Nur allmählich bemerkte sie das Kribbeln auf ihrer Haut und sah plötzlich, wie unzählige kleine Spinnen damit beschäftigt waren, ihren Körper einzuweben. Doch es waren nicht die sonst typischen weißen Fäden, in die sie Arrow einhüllten. Vielmehr waren sie farblich perfekt auf die Bäume des Versteinerten Waldes abgestimmt. Was hatte das zu bedeuten? Für gewöhnlich stellte es eine trostspendende Geste dar. Wollten sie Arrow etwa vor den Riesen verstecken? Die Vermutung lag nahe. Doch ganz egal, was auch immer der Grund gewesen sein mochte – sie war ohnehin ganz starr vor Schreck, denn ihre Gedanken waren allein bei dem Fenriswolf, der sie verteidigte, als hinge sein eigenes Leben davon ab.
Als einer der Frostriesen den Wolf in die Mangel nahm, setzte Arrows Herz aus. Der Riese lag mit ihm am Boden und hielt ihn fest umschlungen. Ein donnernder Aufschrei dröhnte durch den Wald, als der Wolf ihm in den Arm biss. Der Frostriese lockerte seinen Griff jedoch nicht.
Arrow begann zu zittern. Sie wollte ihm so gerne helfen, aber sie wusste nicht, wie sie das anstellen sollte. Doch mit einem Mal rückte diese Sorge in weite Ferne, denn der andere Riese kam geradewegs auf sie zumarschiert.
Genau wie sein Begleiter trug auch er pechschwarzes Haar. Seine Haut war so weiß wie Milch. Die Ohren waren mit Frostbeulen übersät und seine Lippen schimmerten blau. Auf eine befremdliche Art mutete es an, als seien die Riesen bereits den grausamen Kältetot gestorben. Und natürlich machten sie ihrem Namen alle Ehre, denn jede Stelle ihres Körpers funkelte unter einer klirrend kalten Frostdecke.
Der Boden erzitterte unter jedem seiner Schritte. Verunsichert suchte er die Gegend ab. Offenbar hatte es funktioniert. Unter dem dunklen Spinnenkokon war Arrow kaum zu erkennen. Allein ihre Augen waren weniger dicht eingewebt. Mit aller Kraft zwang sie ihren Körper zur Konzentration. Das Zittern würde sie verraten. Das durfte sie nicht zulassen.
Direkt vor ihren Füßen blieb der Frostriese stehen. Während er seinen Blick umherschweifen ließ, stand Arrow tausend Ängste aus. Er war so unglaublich groß. Nur ein einziger falscher Schritt und er würde sie zerquetschen wie eine Made. Die Kälte, die von ihm ausging, stach spitzen Nadeln gleich in jede Zelle ihres Körpers.
Plötzlich beugte er sich herunter, und Arrow schloss erschrocken ihre Augen. Jetzt durfte sie keinen Fehler machen. Das Warten wurde unerträglich. Nicht sehen zu können, was sich in diesem Moment vor ihren Augen abspielte, schnürte ihr die
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