Frühlingserwachen (Winterwelt Trilogie) (German Edition)
musste ihr diesbezüglich etwas mit auf den Weg gegeben haben!
Und plötzlich fiel es Arrow wie Schuppen von den Augen. Anne hatte zwar nie etwas über die Wache der Unterwelt gesagt, doch bevor Arrow zur Weltenbibliothek aufgebrochen war, hatte sie ihr das letzte Beutelchen Schlafpulver mit den Worten „verwende es nicht für dich selbst, sondern gegen deine Feinde“ überreicht. Danach war es in Vergessenheit geraten, und somit musste es sich noch immer in ihrer Tasche befinden.
Eilig kramte Arrow danach. Und tatsächlich, es war es noch. Schnell streute sie das Pulver auf ihre Hand und umschloss es in ihrer Faust. Dann griff sie nach ihrem Messer und rammte es dem Riesen immer und immer wieder in seine Hand. Nachdem ihr Arm beinahe zu krampfen drohte, funktionierte es endlich. Der Riese fühlte sich gestört und hob sie verärgert vor sein Gesicht. Sobald Arrow nah genug war, holte sie tief Luft und blies ihm das Pulver direkt unter seine Nase. Dann betete sie, dass er nicht dagegen immun war und dass die Dosis ausreichte, um ihn ins Land der Träume zu schicken.
Der Frostriese musterte sie verdattert und schüttelte sich anschließend, bevor er seinen Griff löste und Arrow fallen ließ. Der Aufprall war weniger schlimm, als sie es befürchtet hatte, und so sprang sie sogleich wieder auf ihre Beine und schaffte es gerade noch, dem massigen Körper des Riesen auszuweichen, bevor er zu Boden fiel. Sein rechter Arm ragte nach dem Aufprall über die Grenze zum Chaos.
Zitternd betrachtete Arrow den Frostriesen. Sie konnte kaum glauben, dass es funktioniert hatte. Doch er lag jetzt unmittelbar vor ihr und nur ein kurzes Schnarchen ließ verlauten, dass er noch am Leben war. Dann wurde er ganz plötzlich von einer unsichtbaren Macht auf die andere Seite gezogen und verschwand im dichten Nebel.
Nachdem Arrow den Schrecken verwunden hatte, sank sie kraftlos zu Boden und lag eine Weile einfach nur so da. Völlig unverhofft kehrten die Gedanken an William zurück. Das bereitete ihr Kopfschmerzen und belastete sie zusätzlich. Denn eigentlich hatte sie gegenwärtig ganz andere Sorgen. Doch die Gedanken an ihn wollten ihr noch nicht einmal in einer Situation wie dieser eine Pause gönnen. So wurden sie mehr und mehr zur Qual. Außerdem führten sie nirgendwo hin und gerade das machte die Sache besonders anstrengend.
Inzwischen war Arrow zwischen feuriger Verliebtheit und inneren Wutausbrüchen derart hin und her gerissen, dass sie sich zwang, eine Denkpause einzulegen. Wenn das tatsächlich Liebe war, wollte sich ihr nicht erschließen, wie eine Person ein ganzes Leben lang nach so etwas streben konnte. Mit den Gefühlen konnte sie möglicherweise noch einigermaßen umgehen, doch die vielen Gedanken darüber trieben sie langsam, aber sicher in den Wahnsinn.
Zögerlich hob sie den Kopf. Harold hatte Recht behalten – die Irrlichter hatten Arrow irgendwann wieder eingeholt und sie zum erhofften Ort gebracht. Vielmehr hatten sie den Fenriswolf dorthin geführt, der genau gewusst hatte, dass er ihnen folgen musste.
Arrow schaute sich um. Über die große Erleichterung hatte sie ihren treuen Freund völlig vergessen. Doch von ihm und dem anderen Frostriesen fehlte jede Spur. Töten konnte ihn der Riese nicht – soviel stand fest. Andersherum war es vielleicht möglich, doch hauptsächlich wollte der Wolf ihn von Arrow fern halten.
Ganz unverhofft tauchten plötzlich die Irrlichter zwischen den Bäumen auf. Schwebend überquerten sie die Grenze und verschwanden im Nebel. Arrow lief ein kalter Schauer über den Rücken, denn es war fast genauso wie in ihrem Traum. Einen Moment lang wartete sie darauf, dass William auftauchen und sie gefügig machen würde, doch diese Befürchtungen trafen nicht ein. Aber Arrow würde sich selbst belügen, wenn sie sich nicht eingestehen würde, dass es ihr neben der Erleichterung auch Enttäuschung brachte.
Das Chaos befand sich in einer dichten Wolke aus weißem Nebel, womit es für Arrow unmöglich war, sich vor Überschreitung der Grenze einen Einblick zu verschaffen. Gelegentlich ertönten dumpfe Schreie in der Ferne. Finstere Schatten tauchten unverhofft auf und verschwanden ebenso schnell wieder.
Schwer atmend stand sie vor der Grenze und dachte pausenlos darüber nach, was dort drinnen alles geschehen könnte. Nicht die Gedanken und Ängste der anderen Seelen in dem Nebel ließen sie zögern, sondern einzig ihre eigenen. Es gab so Vieles, das sie fürchtete. Im ganz normalen
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