Frühlingserwachen (Winterwelt Trilogie) (German Edition)
hinunter zum Kellergewölbe und sperrte die Tür auf. Jeden Quadratmeter suchte sie sorgsam ab und doch gab es von der Begegnung der letzten Nacht nicht die geringste Spur.
Als sie spürte, wie jemand mit seinen Fingern durch ihr Haar fuhr, schrie sie erschrocken auf. Mit einem kleinen Efeublatt und einigen ausgerissenen blonden Haaren in der Hand musterten Dewayne und Keylam sie eindringlich. „Ich glaube, du hast uns etwas mitzuteilen“, sagte der Elf.
Mehrmals fuhr Arrow sich mit den Fingern durch die Haare. „Ich kann es nicht mehr unterscheiden“, sagte sie. „Einerseits war es wie ein Traum, doch andererseits gibt es Hinweise, dass die Begegnung real gewesen sein könnte.“
Keylam nickte. „Das Kerzenwachs hätte auch von jemand anderem verschüttet worden sein können.“
„Aber was ist mit dem Blatt in ihren Haaren?“, fragte Neve, die ihr Baby in den Armen wog.
„Bei uns im Dorf gibt es kein Efeu“, entgegnete Anne widerwillig. „Es gedeiht hier nicht, allein der Teufel weiß, warum.“
Ein dunkler Schatten löste sich über den Deckenbalken. Flink wie eine Katze kletterte Sam die steinerne Wand hinab und warf Anne einen eindringlichen Blick zu. „Wenn ihr schon nicht dem Efeu in ihren Haaren traut, so solltet ihr wenigstens den Abbildungen auf ihrem Nacken Glauben schenken.“
Erschrocken tastete Arrow ihren Hals und die Schultern ab, doch obwohl sie nicht die geringste Unebenheit oder Veränderung spürte, konnte sie den Wahrheitsgehalt von Sams Worten in Annes Augen ablesen.
Die alte Frau wurde kreidebleich und ließ sich fassungslos auf den nächstgelegenen Stuhl sinken. „Das ist doch wohl hoffentlich nicht euer Ernst“, presste sie gequält zwischen ihren Lippen hervor.
„Anne bitte“, versuchte Dewayne auf sie einzureden. „Wir alle wissen, dass dir diese Sache nicht behagt. Kaum einer von uns hat ein gutes Gefühl bei dem Gedanken an ein Treffen mit Frau Perchta. Trotzdem bringt uns das nicht weiter.“
„Und was bringt uns weiter?“, fragte Anne voller Sorge.
„Die Anweisungen sind deutlich“, bemerkte Bon, der die Unterhaltung bisher ruhig und mit verschränkten Armen verfolgt hatte. „Arrow wird zum Holunderwald aufbrechen – noch heute.“
Anne entglitten die Gesichtszüge, doch bevor sie etwas sagen konnte, kam Bon ihr zuvor. „Wir werden es nicht herausfinden, wenn wir es nicht versuchen.“
Argwöhnisch betrachtete Arrow die Abbildung – wie Sam es genannt hatte – im Spiegel. Mit Hilfe eines zweiten Spiegels, den sie hinter ihren Schultern immer wieder von einer Seite zur anderen gleiten ließ, schaute sie jede Linie so oft an, bis sich das Bild in ihr Gedächtnis eingebrannt hatte. Die Darstellung verlief genau dort, wo sie in der Nacht zuvor die Tränen der Grünen Lady gespürt hatte. Aber viel seltsamer war die Erkenntnis, dass es das gleiche Motiv war, das sie schon bei Harold gesehen hatte – eine Efeuranke.
Arrow schüttelte sich. Bei dem Gedanken an Harolds unbekleideten Körper wurde ihr ganz mulmig. Es hatte wirklich nicht schön ausgesehen und diese Überzeugung hätte sie auch dann nicht abgelegt, wenn sie ihn leiden könnte. Harold hatte einfach nur krank ausgesehen und sie konnte sich nicht des Eindrucks entledigen, dass sein Körper seinen inneren Gemütszustand widerspiegelte. Aber gegenwärtig konnte sie sich nicht mit diesen Dingen befassen und es fehlte auch die Zeit, um Harold über der Efeuranke zu befragen. Das alles musste bis zu ihrer Rückkehr warten. Angespannt erhob sie sich von ihrem Sessel und sah sich um. Irgendetwas hatte sie noch nicht eingepackt. Sie wusste nicht, was es war, doch sie wurde das Gefühl nicht los, etwas Wichtiges übersehen zu haben.
Während Arrow ihren Blick durch das Turmzimmer gleiten ließ, tastete sie gleichzeitig ihre Taschen ab und bemerkte dabei etwas, das sie nicht sofort zuordnen konnte. Verdutzt zog sie eine kleine Phiole hervor, welche sie in diesem Moment zum ersten Mal erblickte. Im Inneren des Gefäßes befanden sich die Efeublätter mit den Tränen von Elaine. Eilig schlang sie ein Lederband um den Flaschenhals, streifte es über ihren Kopf und ließ die Phiole unter ihren Kleidern verschwinden. Dann nahm sie ihre Sachen und ging nach unten.
Arrow hatte darauf bestanden, dass Dewayne bei Neve bleiben sollte. Sie und das gemeinsame Baby hatten seine Hilfe weitaus nötiger. Außerdem war Arrow der Ansicht, dass man einen Vater nicht so schnell von seinem Kind trennen sollte.
„Es
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