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Frühlingserwachen (Winterwelt Trilogie) (German Edition)

Frühlingserwachen (Winterwelt Trilogie) (German Edition)

Titel: Frühlingserwachen (Winterwelt Trilogie) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Stoye
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unmissverständlich klar, dass sie keine Widerrede duldete.
    „Verzeiht mir“, antwortete die Alte mit gesenktem Blick. „Offenbar kann das Mädchen den Wald nicht betreten.“
    „Stimmt das?“, fragte die Stimme und im selben Augenblick glitten die wuchtigen toten Bäume des Waldrandes zur Seite und legten ihre gewaltigen Stämme ehrfürchtig auf den Waldboden, um Platz zu machen.
    Ein hässliches Monster trat unheilvoll aus dem Schatten der Bäume hervor. Bis zu seinem Kopf schien es gute drei Meter hoch zu sein. Die gewaltigen Hörner ließ es weitere drei Meter groß sein. Insgesamt sah es wie ein riesiger Steinbock aus, doch das Monster hatte acht Augen wie eine Spinne. Sein Blick war kalt wie Stein und es verbreitete den Gestank des Todes. Mit seiner langen, gespaltenen Zunge tastete es den Waldboden ab, und als es schrill aufschrie, blitzten seine spitzen Giftzähne durch. Bedrohlich wedelte der lange Skorpionschwanz von einer Seite zur anderen.
    Völlig hypnotisiert von der Hässlichkeit dieses Wesen übersah Arrow beinahe, dass auf ihm eine Frau saß.
    Vor der Grenze des Waldes hielt das Ding an und ließ seine Reiterin absteigen.
    Sie trug einen langen, schwarzen Mantel und um ihre Taille spannte sich ein lederner Gürtel, dessen Schnalle von dem knochigen Schädel eines Steinbocks gebildet wurde. Die Hörner des Schädels verliefen über ihre Brust und wölbten sich über ihre Schulter hinweg. Offenbar hatte hier jeder einen abartigen Geschmack, was Kleidung und Schmuck betraf ...
    Das graue Haar der Frau war streng zurückgebunden und ihre giftgrünen Augen funkelten unheilvoll. Doch es war auch noch etwas Anderes in ihnen. Beinahe hätte man meinen können, dass diese Frau noch nie etwas Schönes erlebt hatte. Es gab keinen Glanz in ihren Augen – weder einen neuen, strahlenden, noch einen schwach glimmenden aus längst vergangenen Zeiten.
    Bis auf ihr vernarbtes Gesicht war sie rundum in Kleidung gehüllt. Unter dem dicken Mantel war ihre Figur kaum zu erahnen und selbst über ihre Finger waren lederne Handschuhe gestülpt. Das Unheimlichste an ihrer Erscheinung war jedoch ihr Zepter, das aus einem übergroßen, sich verkrampfenden Hühnerbein bestand. Die Krallen ragten in den Himmel und zitterten gelegentlich, als würde es sich dabei um die letzten Todeszuckungen der durchtrennten Nerven handeln.
    Als Arrow sich vor lauter Furcht nicht rühren konnte, schaute die Alte mit dem Hirschgeweih auf und schubste sie mit Hilfe eines Stocks in Richtung der Waldgrenze, doch auch dafür erntete sie wieder einen Schlag.
    Nachdem Arrow der Zutritt zum wiederholten Male verwehrt wurde, taumelte sie zurück und hatte Mühe, ihre Haltung wieder zu finden.
    „Spinnst du?“, herrschte sie die Alte an.
    „Sssscht!“, befahl die vernarbte Frau. „Du bist also Arrow“, sagte sie weniger forsch, doch noch immer Respekt einflößend.
    „Frau Perchta?“, fragte Arrow verunsichert.
    Die Frau lachte. „Freut mich sehr, deine Bekanntschaft zu machen.“
    Sie war es wirklich. Nach all den Gedanken über Frau Perchtas Erscheinung und den Geschichten, die über sie erzählt wurden, sah sie letzten Endes ganz anders aus, als Arrow sie sich vorgestellt hatte. Eher hätte sie mit einer Art Dämon, Hexe oder gar einem Monster gerechnet. Zugegebenermaßen war Frau Perchta nicht unbedingt eine Schönheit, doch weit weniger abschreckend, als Arrow es sich ausgemalt hatte. Bei einer Sache hatten die Geschichten aber nicht gelogen: Der strenge Blick, dem man sich einfach unterwerfen musste, den hatte sie. Diese Frau strahlte eine derart starke Autorität aus, wie Arrow es noch nie zuvor erlebt hatte. Allerdings wollte sie nicht ausschließen, dass diesbezüglich vielleicht Magie im Spiel war.
    Aber was Arrow noch sehr viel mehr beschäftigte, war etwas ganz Anderes: Frau Perchta schien ihr nicht unsympathisch zu sein. Der erste Eindruck war seit jeher immer sehr wichtig für sie gewesen. Bisher hatte er sie höchstens zwei, drei Mal im Stich gelassen. Davon abgesehen hatten sich ihre Beziehungen zu anderen immer genau so entwickelt, wie es ihr Anfangsgefühl vorausgesagt hatte. Die Sympathie für diese Frau war die seltsamste Erkenntnis, die sie je gewonnen hatte. Vor wenigen Monaten noch hatte es nichts im Universum gegeben, das sie mehr hätte hassen können als diese Person. Doch auch wenn sich Arrows Meinung ihr gegenüber gebessert hatte, war da immer noch die Tatsache, dass sie sich erst vor wenigen Augenblicken

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