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Frühlingserwachen (Winterwelt Trilogie) (German Edition)

Frühlingserwachen (Winterwelt Trilogie) (German Edition)

Titel: Frühlingserwachen (Winterwelt Trilogie) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Stoye
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sie sich schimmernde Tränen vom Gesicht. „Ich weine äußerst selten, musst du wissen, denn meine Tränen vergieße ich niemals, ohne die Konsequenzen dafür zu tragen.“
    Arrow musterte sie. Was die Lady sagte, ergab für sie keinen Sinn, doch bevor sie ihr irgendwelche Fragen über die Bedeutung dieser Worte stellen konnte, hob Elaine ihren Blick und schaute Arrow tief in die Augen. „Ich habe ihn geliebt“, sprach sie mit zitternder Stimme.
    Verunsichert fragte Arrow sich, ob diese Begebenheit gerade wirklich real war. Wie es aussah, schien Elaine der Gedanke an Melchiors Tod ebenso schwer zu fallen wie ihr selbst. Natürlich gab es auch andere, die um ihn trauerten, doch hatte deren Trauer wohl niemals auch nur annähernd an Arrows Schmerz herangereicht. Es war ein befremdliches und zugleich tröstendes Gefühl: Der Gedanke, verstanden zu werden, wirkte wie eine kleine Befreiung.
    Langsam ging Arrow auf Elaine zu und die Efeuranken wichen wie von Zauberhand vor ihren Schritten zurück. Unsicher, ob sie das Richtige tat, zögerte sie einen Moment, doch dann nahm sie die Lady in den Arm. Trotz ihrer spärlichen Bekleidung – sofern man es überhaupt so nennen konnte – fühlte sich Elaines Körper ganz warm und andererseits auch wieder sehr filigran an. Zeitweise hatte Arrow den Eindruck, eine Mohnblume in den Armen zu halten, die bei der geringsten falschen Bewegung zu zerbrechen drohte. Sie versuchte so vorsichtig und zugleich beruhigend wie nur möglich zu sein.
    Plötzlich konnte die Lady ihre Verzweiflung nicht länger zurückhalten. Während Arrow ihr immer wieder über den Kopf strich, schluchzte Elaine: „Ich habe es nicht kommen sehen. Es tut mir so leid.“ Bis sie sich wieder gefangen hatte, verging eine gefühlte Ewigkeit. An ihrem Nacken konnte Arrow die Tränen fühlen, welche die Lady über ihre Trauer vergoss.
    „Es ist nicht deine Schuld“, flüsterte Arrow. „Wir alle haben es nicht kommen sehen.“
    Sanft löste Elaine sich aus der Umarmung und versuchte ein mitfühlendes Lächeln zustande zu bringen. „Glaubst du deine eigenen Worte?“
    Verlegen senkte Arrow ihren Blick und schüttelte den Kopf. Die Lady strich ihr tröstend über die Wange. Es war ein angenehmes Gefühl, denn ihre Haut fühlte sich an wie Seide.
    „Er hat dich sehr geliebt“, sagte Elaine.
    Arrow nickte. „Ich habe ihn auch geliebt und ich vermisse ihn. Das hätte ich ihm so gerne zeigen wollen.“
    „Aber das hast du getan. Mit jedem Weg, den du gegangen bist und mit jeder Entscheidung, die du getroffen hast.“
    „Habe ich das?“, fragte Arrow verzweifelt. „Was auch geschehen ist und was immer ich auch getan habe – es hat ihn nicht davon abhalten können sich selbst aufzugeben.“
    „Letzten Endes hat er sich nicht selbst aufgegeben – nicht vollkommen. Seinen Wunsch, sich selbst und seine Existenz für immer auszulöschen, hat er sich schließlich nicht erfüllt.“
    „Was ändert das?“, fragte Arrow verbittert. „Er ist weg und wird niemals wiederkommen. Nie wieder werde ich die Gelegenheit haben, ihn in den Arm zu nehmen und ihm sagen zu können, wie sehr ich ihn liebe.“
    Mit ihrem Zeigefinger hob die Lady Arrows Kinn und schaute ihr tief in die Augen. „Vertraue darauf, dass er es weiß – wo immer er jetzt auch sein mag.“
    Es war ein tröstendes Gespräch. All diese Worte hatten zuvor schon Anne, Dewayne und Keylam an sie gerichtet, doch zu keinem Zeitpunkt hatten sie eine derart starke Wirkung auf Arrow gehabt wie in diesem Moment. Elaine hatte etwas an sich, das Arrow nicht beschreiben konnte. Ihre Gabe, andere mit ihrer Stimme, ihrem Lächeln und ihrem Blick zu verzaubern, war absolut einzigartig. Niemals zuvor hatte Arrow ein Wesen getroffen, das auch nur annähernd eine solche Ausstrahlung besessen hatte. Je öfter sie das feststellte, desto mehr faszinierte es sie.
    Plötzlich schreckte die Lady auf. „Wir müssen uns beeilen“, sagte sie beunruhigt. „Uns bleibt nicht mehr viel Zeit.“
    Eilig wischte Arrow sich ihre Tränen vom Gesicht und versuchte, ihren Kopf frei zu bekommen. Sie musste jetzt aufmerksam zuhören. Ein weiteres Treffen mit der Lady würde sobald sicher nicht wieder in Sicht sein.
    „Du weißt, warum ich gekommen bin?“, fragte Elaine.
    Arrow nickte.
    „Denkst du, dass du so weit bist, diesen Weg auf dich nehmen zu können?“
    „Ich bin ihn schon mal gegangen“, entgegnete Arrow kühl. „Schlimmer kann es ein zweites Mal kaum werden.“
    „Gut“,

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