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Frühlingserwachen (Winterwelt Trilogie) (German Edition)

Frühlingserwachen (Winterwelt Trilogie) (German Edition)

Titel: Frühlingserwachen (Winterwelt Trilogie) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Stoye
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ein kaltes Wesen und jeder, dessen Knochen beim Gedanken an sie nicht vor Furcht erzittern, ist ein Dummkopf.“
    Ohne etwas darauf zu erwidern, leistete Arrow Frau Perchta bei ihrem Spaziergang Gesellschaft. Whisper, der sich zwischenzeitlich sichtlich entspannt hatte, folgte Arrow mit einem gewissen Abstand. Er spürte, dass es ihr schlecht ging, und wollte seinen Schützling nicht allein lassen. Dabei störte es ihn auch nicht, dass Grey auf seinem Rücken Platz genommen hatte, um ihn zu begleiten. So gingen sie zu viert an der Grenze des Waldes entlang.
    „Dein Vater“, begann Frau Perchta, „hat eine außergewöhnliche Persönlichkeit besessen. Er war zielstrebig und auf seinem Weg bemerkte niemand, dass er innerlich daran zugrunde ging. Du bist genauso. Zwar gibst du dir keine Mühe, dein Leid vor Anderen zu verbergen, doch in Sachen Sturheit nehmt ihr beide euch absolut nichts.“
    Ein flüchtiges Lächeln huschte über Arrows Gesicht. Diese Worte hatte sie selbst von Anne schon unzählige Male zu hören bekommen. Und obwohl es sich jedes Mal wie ein Vorwurf anhörte, verfehlte diese Bemerkung ihre Wirkung nicht. Arrow gefiel es, wenn sie mit ihrem Vater verglichen wurde. Und für sie machte es keinen Unterschied, ob es sich dabei um positive oder negative Eigenschaften handelte.
    „Selbst ich habe sein Vorhaben nicht kommen sehen“, fuhr Frau Perchta fort. In diesen Worten steckte nichts Selbstgefälliges oder Abwertendes. Offenbar tat es sogar ihr leid und diese Erkenntnis war seltsam. Es ließ Arrow ihren Zorn über Frau Perchtas anfängliche Beleidigungen von einem Augenblick zum nächsten verfliegen. Und plötzlich kam sie ihr so vertraut vor. Sie konnte sich nicht erklären, ob es an dem hohen Alter der Herrscherin lag oder einfach nur an der Überraschung. Das Letzte, was sie von dieser Frau erwartet hatte, war etwas, das sie beide – wenngleich auch nur entfernt – in einer positiven Art und Weise miteinander verband.
    „Könnt Ihr mir sagen, wie es ihm geht?“, fragte Arrow verunsichert.
    Frau Perchta blieb stehen und schaute in die Leere. Es sah aus, als würde sie ihre Worte vom Himmel ablesen, denn immer wieder huschte ihr Blick nach oben von links nach rechts. „Ehrlich gesagt habe ich nicht die geringste Ahnung“, antwortete sie betrübt. „Als ich damals von dem Unglück erfuhr, ist mir zuerst der Gedanke gekommen, dass er mein Reich vielleicht gar nicht verlassen hat. Denn wer seinen Lebenswillen verliert und jenen entscheidenden Schritt geht, den dein Vater letzten Endes für sich gewählt hat, macht sich damit gleichzeitig zu einem Verdammten.“
    Hoffnung und Verzweiflung glommen gleichzeitig in Arrows Augen auf. Vielleicht war er noch immer in diesem Wald und es gab die Chance auf ein Treffen. Auf der anderen Seite bereitete ihr der Gedanke eine Gänsehaut, dass Melchior ein Verdammter sein könnte. Trotz der gemischten Gefühle gegenüber einer möglichen Antwort fragte sie: „Dann ist er hier?“
    Perchta schüttelte den Kopf. „Obwohl ich diesen Wald wie meine Westentasche kenne, habe ich ihn mehrmals durchsuchen lassen.“
    „Aber das ist doch ein gutes Zeichen“, bemerkte Arrow erfreut. „Dann ist er gar nicht verdammt und residiert vermutlich schon lange in Walhall.“
    Ohne sie anzusehen, erwiderte Frau Perchta: „Auf der anderen Seite gibt es noch eine weitaus schlimmere Hölle als die meine. Die Reise einer Seele endet nicht zwingend in Walhall oder in meinem Reich. Hier herrscht einzig die Verdammung auf eine gewisse Zeit. Wer aber in die richtige Hölle geschickt wird, der büßt auf ewig.“
    Arrow erstarrte. „Was wollt Ihr damit sagen?“
    So viel Überwindung es die Herrscherin des Holunderwaldes auch kostete, schaffte sie es endlich doch, ihrer Gegenüber in die Augen zu sehen. „Dass er überall sein könnte. Im günstigsten Fall ist er in das Himmelsreich Walhall eingetreten, doch im schlimmsten Fall erwartet ihn ein anderer Lohn.“
    „Aber das kann nicht sein“, antwortete Arrow betroffen. „Mein Vater hatte eine gute Persönlichkeit. Er hat nie jemandem ein Haar gekrümmt, sondern dieser Welt und ihren Bewohnern stets zu einer besseren Zukunft verholfen.“
    Müde lächelte Frau Perchta sie an, doch war es eher eine bemitleidenswerte, denn eine herablassende oder freundliche Geste. „Du hast ihn so gesehen und kennst ihn nicht anders. Doch jeder von uns besitzt auch eine dunkle Seite. Und schließlich hat er sich selbst aufgegeben. Wer nicht

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