Frühlingserwachen (Winterwelt Trilogie) (German Edition)
Intensität ihres Zusammenhalts unter Beweis stellen.“
Arrow runzelte die Stirn. „Seit hunderten von Jahren haben sie ihre Zeit nur miteinander verbringen können. Ich glaube kaum, dass man da ihre Loyalität zueinander infrage stellen muss.“
Herablassend musterte Frau Perchta sie. „Du hältst dich wohl für besonders klug“, zischte sie. Dies war eindeutig keine Frage, sondern eine Feststellung und noch eindeutiger sollte es kein Kompliment sein.
Arrow verlor die Beherrschung. „Ich weiß nicht, warum Ihr mich hierher bestellt habt, wo Ihr mich doch für so unfähig und aufgeblasen haltet! Wie ich Euren Worten entnehmen kann, hättet Ihr gut daran getan, jemand anderen mit dieser Aufgabe zu betrauen.“
Perchtas selbstgefälliges Lächeln erstarb. Auf eine kurze Handbewegung hin zog sich ihr Gefolge zurück. Nun waren sie allein.
Mit einem zornigen Funkeln in den Augen beugte sich die Herrscherin des Holunderwaldes vor, und obwohl sie trotz dieser geringen Bewegung noch weit voneinander getrennt waren, spürte Arrow die eisige Kälte ihres Atems auf der Haut.
„Warst du es nicht, die noch vor Kenntnis der Prophezeiung beschlossen hat, dem Ganzen ein Ende zu bereiten?“, fragte Perchta mit fester Stimme und sichtlich nicht zum Scherzen aufgelegt.
Arrow musste den Blick von ihr abwenden. Noch einen Moment zuvor hatte die Wut sie in dem Glauben gelassen, sich mit Frau Perchta messen zu können, aber schon im nächsten Augenblick hatte diese Frau es erneut geschafft, sie einzuschüchtern.
Perchta war diese Erkenntnis nicht entgangen. Trotzdem fühlte sie sich nicht wie eine Siegerin. „Du hast eine Entscheidung getroffen und ich erwarte von dir, dass du dazu stehst.“ Mit diesen Worten war die Diskussion um Arrows Zweifel für sie erledigt.
Sie schwiegen eine Weile. In ihren Gedanken gab Arrow sich der Vorstellung hin, kämpfend in einen Krieg zu ziehen und ihre Familie damit zurückzulassen. Sie dachte an Neve und Dewayne, die einander gefunden hatten und zusammen alt werden würden – ebenso wie Harold und Adam. Und sie dachte an Anne, die mit der kleinen Juna einen neuen Schützling gefunden hatte. Allein für Keylam konnte ihr Kopf kein harmonisches Bild zusammen zaubern.
„Es liegt noch immer an deinem Vater, richtig?“
Arrow zuckte zusammen. Verlegen stammelte sie: „Ich wüsste nicht, was das eine mit dem anderen zu tun haben sollte.“ In diesen Worten war eindeutig keine Kampfhaltung mehr zu erkennen, sondern lediglich das unangenehme Gefühl, ertappt worden zu sein.
„Es hat einfach alles damit zu tun“, erwiderte Perchta mit der majestätischen Haltung eines weisen Steinkauzes. „Dein Herz und deine Gedanken sollten sich gegenwärtig um das Wohlergehen deines Volkes drehen – und zwar ausschließlich. Trotz dieser Dringlichkeit gibst du noch immer einer völlig anderen Sache, die längst entschieden ist, den Vorrang.“
Arrow war es müde geworden, ständig heulen zu müssen. Und selbst wenn die tröstenden Aufmunterungen ihrer Mitmenschen der Unterstützung dienen sollten, war sie dessen ebenso längst überdrüssig geworden. Frau Perchtas Worte waren zwar in keiner Weise aufheiternd, trotzdem wollte Arrow nicht mehr zuhören, wenn jemand sich zu dem Kundtun berufen fühlte, dass ihr Leiden ohnehin nichts an der Situation habe ändern können.
„Was ist mit ihm geschehen?“, fragte sie hoffnungsvoll.
Frau Perchta schaute sie an. Eine gefühlte Ewigkeit sah es so aus, als würde sie diese Frage nicht beantworten oder in irgendeiner anderen Art und Weise auf dieses Thema eingehen wollen. Als plötzlich ein resignierender Ausdruck über ihr Gesicht huschte, erhob sie sich von ihrem Platz. „Komm“, sagte sie, „lass uns ein Stück gehen. Meine alten Knochen brauchen Bewegung.“
Arrow fühlte sich zu schwach zum Gehen. In ihrer gegenwärtigen Situation hätte sie sich nur allzu gern unter einer Decke verkrochen, um sich voll und ganz ihrer Traurigkeit hingeben zu können. Doch sie wusste genau, dass Perchta ihr das Bad im untröstlichen Selbstmitleid nicht zugestehen würde. Außerdem fühlte sie sich von dem hässlichen Reittier Frau Perchtas ununterbrochen beobachtet und der Gedanke, mit diesem Monster allein sein zu müssen, schnürte ihr die Kehle zu. Also tat sie, wonach die alte Frau verlangte.
„Du hast wohl Angst vor meiner Merga?“, fragte Perchta. Als Arrow nicht antwortete und ihren Blicken auswich, fügte Perchta hinzu: „Das solltest du auch. Sie ist
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