Frühlingserwachen (Winterwelt Trilogie) (German Edition)
darauf, dass irgendwann alles vorbei ist – und damit meine ich nicht unbedingt die Wilde Jagd, sondern das Leben selbst. Während der Rauhnächte treffen wir deshalb überwiegend auf die, die dem Glauben verfallen sind, unantastbar zu sein. Denn mit der Ausführung ihrer Gräueltaten verlieren viele Verbrecher den Respekt vor der Gerechtigkeit. Diesem Leichtsinn haben wir es zu verdanken, dass wir sie letzten Endes doch noch schnappen.“
„Wollt Ihr damit etwa sagen, dass jedes Wesen in seinem Leben einmal etwas Dummes anstellen sollte?“, fragte Arrow skeptisch.
„Nein“, lachte Frau Perchta auf. „Damit will ich nur sagen, dass vor allem die Guten mehr Vertrauen in sich selbst haben und ein Risiko eingehen sollten. Dabei erscheint es mir völlig gleichgültig, ob sie es ausdrücken, indem sie in einen tobenden Ozean springen oder einfach mal während der Wilden Jagd vor die Tür treten. Aber das wird ohnehin nie passieren, weil die meisten unter ihnen dafür viel zu bescheiden sind. Dabei würden sie mir mit einer solchen Handlung einen furchtbar großen Gefallen tun, denn dann hätte das dumme Gerede über mich und meine Gefolgschaft endlich ein Ende.
Es geht nicht darum, dass die Anständigen unanständig werden sollen, sondern einfach nur darum, dass sie mutiger handeln sollten, als es die Barbaren unter ihnen tun, und dabei trotzdem rechtschaffen bleiben. Das wäre nicht nur einfacher für sie, sondern einfacher für uns alle.“
„Dann sind nicht alle in jener Nacht Opfer der Wilden Jagd geworden?“
Frau Perchta schüttelte den Kopf. „Nur diejenigen, die es verdient haben. Alle anderen sind verschont geblieben und haben sich nach der Öffnung von Nebulae Hall ein neues Versteck gesucht, in dem sie weiterhin rechtschaffen sein können. Somit trifft man sie leider nur selten.
Um also auf deine Frage zurück zu kommen – du hast das Schicksal von niemandem besiegelt. Das hat lange vorher schon jeder für sich selbst getan.
Aber geschrieen haben sie natürlich alle. Das habe ich auch, als ich meinen General und die anderen Perchten zum ersten Mal gesehen habe.“
Frau Perchta lachte, und Arrow konnte gar nicht anders, als in dieses Lachen mit einzustimmen.
„So Kind, wir sollten uns jetzt wieder dem eigentlichen Thema zuwenden und nicht noch mehr Zeit vertrödeln“, sagte Frau Perchta noch immer lächelnd und ließ Arrow mit ihren entgleisten Gesichtszügen einfach links liegen.
Kind ... So wurde sie eigentlich nur von ihrer Großmutter genannt. Trotzdem störte es sie nicht, dass Frau Perchta diese Anrede benutzte, denn in ihrem Wesen erinnerte sie Arrow mehr und mehr an Anne. Und mit dieser überraschenden Erkenntnis waren plötzlich auch die letzten Spuren von Abneigung gegen sie verschwunden, denn Arrow konnte einfach niemanden verabscheuen, der ihrer geliebten Großmutter – wenngleich die Verwandtschaft mit Anne auch nur geliehen war – nur im Entferntesten ähnelte.
Nachdem die beiden Frauen zur Weiterführung der Verhandlungen wieder Platz genommen hatten, war auch Frau Perchtas Stab wieder hinzugekommen. Alle Anwesenden verfolgten die Gespräche ganz genau, denn jedem Einzelnen war bewusst, dass Arrow dieses Vorhaben nicht würde allein bewältigen können.
Es wurden Vorschläge über die Art der Probe und wo sie stattfinden sollte, gemacht. Eine Aufgabe, die sich in der Theorie wesentlich einfacher anhörte, als dass sie umzusetzen war. Denn die Nyriden durften unter keinen Umständen sofort wieder auf ihre natürliche Welt losgelassen werden. Und jede Chance, zu entkommen, musste ebenfalls vernichtet werden. Doch wo lässt man Wettergeister ihren Dienst verrichten, ohne dass sie anderen Wesen gefährlich werden können? Natürlich bedurfte auch dies strenger Beobachtungen. Es musste genauestens überprüft werden, ob sie ihre Lektion gelernt hatten und für die neue Chance bereit waren.
Über all den Verhandlungen thronte die Merga Furcht einflößend hinter Frau Perchta. Während sieben ihrer Augen in alle Richtungen schielten, behielt sie mit dem achten stets die Gesprächspartnerin ihrer Herrin im Blick. Und obgleich Arrow sich mittlerweile an den Anblick der Habergeiße – die sich äußerlich in keiner Weise vom General unterschieden – gewöhnt hatte, jagte ihr dieses monströse Wesen mit den gewaltigen Hörnern und dem umher zuckenden Skorpionschwanz noch immer eine Heidenangst ein.
Inzwischen verliefen die Gespräche so angenehm, dass Arrow ihr anfängliches
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