Frühlingserwachen (Winterwelt Trilogie) (German Edition)
Unbehagen vollkommen abgeschüttelt hatte. Gegenseitiger Respekt hieß der unsichtbare Verhandlungspartner, nicht Angst oder Hass.
Während sie mit Frau Perchta einen Plan für die erneute Integration der Nyriden ausarbeitete, bemerkte Arrow die zarten Flügelschläge an ihrer Wange zunächst nicht. Ganz sanft setzte sich ein majestätisch schöner Schmetterling mit grün schimmernden Flügeln auf ihren Hals und krabbelte zu ihrem Ohr, wo er einen Augenblick lang verharrte.
Von einem Moment auf den anderen entglitten Arrows Gesichtszüge. Der Schmetterling schreckte auf und flatterte panisch umher.
Ohne ein Wort der Erklärung oder Verabschiedung sprang Arrow auf, lief zu Whisper und ritt auf ihm in Windeseile davon. Grey versuchte mit allen Kräften, ihnen so schnell wie möglich zu folgen, doch sie hatten die Schleiereule schnell hinter sich gelassen.
Stirnrunzelnd schnappte Frau Perchta nach dem Schmetterling und hielt ihre ihn sanft umschließenden Hände an ihr Ohr. Nach einem Moment des Lauschens öffnete sie den winzigen Käfig und gab das angsterfüllte Tier frei. Das bleiche Entsetzen stand ihr ins Gesicht geschrieben.
„Majestät?“, fragte Frau Gaude verunsichert.
Doch während Frau Perchta einem großen Wirbelsturm hinterher schaute, der gerade hinter dem Horizont verschwand, stammelte sie nur: „Der Himmel stehe uns bei.“
Die kalte Asche des Phönix
Arrows Herz raste. Sie konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Zwischen den emporsteigenden Tränen versuchte sie die aufkeimenden Schreie zu unterdrücken.
Die Augen starr nach vorn gerichtet, nahm sie ihre Umgebung nicht mehr wahr. Wie ein mächtiger Regenschwall zog die Landschaft an ihr vorbei. Whisper keuchte unheilvoll. So energisch hatte Arrow ihn noch nie vorangetrieben. Eher war das Gegenteil immer der Fall gewesen. Sie fürchtete sich vor den mächtigen, fliegenden Hufen des Rappens und hatte stets versucht, ihn zu bremsen. In diesem Tempo erreichte sie das Schloss innerhalb kürzester Zeit.
Sally und Dewayne wandten schützend ihre Gesichter ab, als das gewaltige Tor des Schlosses aufflog und von dem starken Aufprall in tausend Teile zersprang.
„Ich dachte es wäre das härteste Holz, das man bekommen könnte ...“, bemerkte Sally entgeistert.
„Ist es auch“, gab Dewayne vorwurfsvoll zurück, und bevor er sich zu weiteren Plaudereien hinreißen lassen wollte, eilte er zu seiner Schwester, die schwer atmend an der Wand lehnte. Sie presste die Hände auf ihre Rippen und aus einer Platzwunde an ihrer Stirn quoll Blut.
„Wo ist er?“, fragte Arrow, bevor der Elf auch nur daran denken konnte, ihre Wunden zu verarzten.
„Im Turmzimmer“, antwortete er knapp.
Unter Schmerzen erhob Arrow sich und stieg keuchend die Treppen empor.
Wohl wissend, dass sich seine Schwester nicht zurückhalten lassen würde, folgte Dewayne ihr.
Im Zimmer fand sie Anne, die ratlos von einem Sessel aus den Boden anstarrte, und Neve, die mit Juna in den Armen vor einem Häufchen Asche kniete.
„Was ist geschehen?“, fragte Arrow ungehalten.
Anne antwortete nicht und allein diese Tatsache beunruhigte Arrow umso mehr. Denn Anne behielt immer einen kühlen Kopf und hatte oft schon einen Plan parat, bevor das Problem entstanden war.
„Wir wissen es nicht“, entgegnete Neve niedergeschlagen und sandte einen Hilfe suchenden Blick an Dewayne aus.
„Es hat nie länger als eine Stunde gedauert“, erklärte der Elf. „Ich habe vor seinem Zimmer Wache gestanden und gehört, wie es angefangen hat. Immer wieder habe ich geklopft und gefragt, ob alles in Ordnung ist. Doch als er nach einer weiteren Stunde noch immer kein Lebenszeichen von sich gegeben hat, habe ich die Tür zerschlagen.“
Dewayne schwieg. Arrow wurde bewusst, dass die Geschichte damit zu Ende war, trotzdem wollte sie es nicht wahrhaben.
„Bist du vielleicht weggenickt oder hast du deinen Platz verlassen?“, fragte sie betroffen, während die aufsteigenden Tränen erneut von ihr Besitz ergriffen.
„Nicht den Bruchteil einer Sekunde“, entgegnete der Elf dumpf.
„Bist du sicher?“, bohrte Arrow nach. „Kann es vielleicht sein, dass er nicht allein war oder in einem anderen Teil des Schlosses wieder aufgetaucht ist?“
Vorsichtig legte Dewayne seine zitternde Hand auf Arrows Schulter und sie wusste, was diese Geste zu bedeuteten hatte. Denn ein Phönix konnte immer nur aus seiner Asche wieder auferstehen, und die von Keylam und Urban lag unmittelbar vor ihr.
Weinend
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