Frühlingserwachen (Winterwelt Trilogie) (German Edition)
hatte sie auch vollstes Verständnis für die besorgten Worte ihres Bruders, denn er wollte sie nur beschützen, und dafür war sie ihm zutiefst dankbar. Allerdings wurde ihr jetzt auch bewusst, warum Anne ihr wenige Minuten zuvor noch etwas anvertraut hatte, das die Anderen um keinen Preis erfahren sollten. Sie hatte Arrow das Versprechen abgenommen, darüber kein Wort zu verlieren, denn es war tatsächlich von höchster Wichtigkeit, dass ein König für alle anderen präsent war. Und wenn Dewayne um das Geheimnis wüsste, würde er sie nie und nimmer allein gehen lassen – das war Anne nach ihrer Auseinandersetzung mit ihm klar geworden.
„Eine Sache muss ich dir dennoch mit auf den Weg geben“, hatte sie mit Nachdruck auf Arrow eingeredet. „Unter gar keinen Umständen darfst du deine Geduld verlieren. Tust du es doch, wirst du Dinge übersehen.“ Mit zitternden Händen holte sie ein Blatt Papier hervor, welches sie offenbar einem der Bücher entrissen hatte. „Wenn es stimmt, was hier geschrieben steht, kann man einen Phönix nur dann töten, wenn man im Besitz seiner Asche ist. Und die befindet sich hier bei uns. Dieser Hinweis muss nicht unbedingt auch eine zuverlässige Quelle sein, es war der einzige Vermerk dieser Art, den ich in unseren Büchern gefunden habe.“
Argwöhnisch hatte Arrow den Abschnitt über die Phönixasche durchgelesen. „Seit wann weißt du davon?“
„Ich habe es heute Mittag entdeckt und mich seither mit nichts Anderem mehr beschäftigt. Eigentlich hatte ich gehofft, noch weitere Artikel zu finden, um sicher zu sein. Doch meine Suche war erfolglos.
Arrow, sollte dies die Wahrheit sein, können sie Keylam nichts anhaben. Ich weiß, wie schwierig diese Ungewissheit für dich ist und dass du sie lieber heute als morgen nach Hause holen möchtest. Doch du darfst unter gar keinen Umständen den Kopf verlieren. Es könnte eine Falle sein.“
„Eine Falle?“, hatte sie ängstlich nachgefragt. „Mit welchem Ziel?“
„Dich unschädlich zu machen. Wenn ich die Sache richtig einschätze, haben wir es hier nicht mit einem Dummkopf zu tun. Wer immer Keylam auch in die Unterwelt verschleppt hat, weiß sehr wohl, dass er ihn allerhöchstens gefangen halten, jedoch niemals töten kann. Trotzdem hat er das Tor gerade so weit geöffnet, dass Keylam die Schneeglöckchen noch immer blühen lassen kann. Weder denke ich, dass es in der Macht deines Gegners steht, die Schwelle zwischen unserem und dem Totenreich noch weiter zu öffnen, noch, dass es in seiner Absicht liegt, dich lebend in die Unterwelt zu locken. Er will dich mit diesem Zeichen nur in den Wahnsinn treiben, und dich somit dazu veranlassen ... dich aufzugeben.“
Bei diesen Worten war Arrow kreidebleich geworden. „Warum sollte jemand so etwas tun?“
Anne schluckte. „Weil im Moment niemand sonst an dich heran kommt. Keylam ist nur das Mittel zum Zweck. Und du bist ein wichtiger Teil in diesem Krieg, denn du bist das Mädchen aus der Prophezeiung.“
Ein Schauer lief Arrow über den Rücken, als sie ihrer Großmutter ein letztes Mal in die Augen sah und an das Gespräch zurück dachte. Doch sie musste unbedingt Fassung bewahren, damit ihr Bruder nicht misstrauisch werden konnte. Normalerweise hatten Elfen ein Gespür für Geheimnisse und Lügen, doch Dewaynes eigene Gefühlswelt war derweil ebenso stark aus dem Ruder geraten wie die von Arrow. Somit war er gegenwärtig nicht imstande, diesen Dingen auf die Schliche zu kommen.
Neve hatte Tränen in den Augen, als sie ihre Freundin verabschiedete, und bei diesem Anblick konnte selbst Sally ein Schluchzen nicht unterdrücken. Adam verabschiedete sich ohne große Worte. Dafür umarmte er sie so fest, dass auch Arrow eine Träne wegstreichen musste. Harolds Abschiedsgruss bestand darin, bei jeder Verabschiedung mit den Augen zu rollen und ungeduldig auf die Uhr zu schauen.
„Wenn du Unsinn machst, werde ich dir das nie verzeihen“, sagte Dewayne mit einem drohenden Blick. Noch einmal umarmte er seine Schwester, und als sie ihrer Familie den Rücken zukehrte, nahm Dewayne einen tiefen Atemzug, um die Fassung wahren zu können.
Als Arrow hinter sich das Tor zuzog und hörte, wie es von den vielen Schlössern verriegelt wurde, war das Gefühl der Traurigkeit verschwunden. Jetzt wurde sie nervös.
Natürlich hätte sie sich auf ihrer Reise lieber von den Zwergen begleiten lassen, doch gegenwärtig stand diese Möglichkeit nicht zur Diskussion. Bon hatte erwähnt, dass im
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