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Frühlingserwachen (Winterwelt Trilogie) (German Edition)

Frühlingserwachen (Winterwelt Trilogie) (German Edition)

Titel: Frühlingserwachen (Winterwelt Trilogie) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Stoye
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abbringen?“
    Beinahe schmolz Arrow das Herz, als sie den betrübten Ausdruck in seinem Gesicht erkannte. „Ich muss“, entgegnete sie mit zitternder Stimme. „Der Mann, den ich liebe, wird dort gefangen gehalten, und ohne ihn will ich nicht sein.“
    Eine hölzerne Hand legte sich auf Shoes Schulter, und ohne sich umdrehen zu müssen, verstand er die Geste seiner Frau. Auch Arrow konnte das Verständnis in ihren Augen ablesen und war ihr dafür sehr dankbar. Trotzdem war sie innerlich tief gerührt, denn ohne etwas Besonderes geleistet zu haben, hatte sie abermals die Herzen zweier Wesen für sich gewinnen können. Das war der höchste Lohn von allen.
    Shoes schlug die Augen nieder. „Wir können dir helfen“, sagte er mit bebender Stimme. „Vorher musst du jedoch noch eine Hürde überwinden. Nur dann hast du eine Chance, und selbst die ist noch verschwindend gering.“
    Die Ungeduld war Arrow anzusehen, doch sie wusste, dass sie sich von diesem Gefühl nicht irritieren lassen durfte. In den letzten Tagen hatte sie so viel über sich gelernt. Innere Ruhe und Ausgeglichenheit waren Empfindungen, die sie nur aus ihren jüngsten Kindertagen kannte. Zwischenzeitlich war das alles ob der traurigen Zwischenfälle verloren gegangen, doch mit den wieder gewonnenen Emotionen waren auch die Erinnerungen daran zurückgekehrt. Es hatte sie befreit und geholfen, die Dinge geordneter betrachten zu können. Die Stimmen hallten nicht mehr zu Hunderten in ihrem Kopf wider. Nahezu alle Gedanken waren derweil in sachlich geordnete Schubladen verpackt worden und kamen nur dann hervor, wenn sie gebraucht wurden. Manchmal traten sie auch unaufgefordert in Erscheinung, doch Arrow hatte gelernt, sie in diesem Fall wieder weg zusperren.
    „Was muss ich tun?“, fragte sie gespannt.
    Shoes erhob sich und drückte ihr abermals ein Buch in die Hand. „Lies es. Wenn es so weit ist, klärt sich alles andere von selbst.“
    Dann ließen er und seine Frau sie alleine.
    Arrow war ihrem Ziel ganz nahe – das fühlte sie. Mit dieser Empfindung und ihrem Buch ließ sie sich in das weiche Bett sinken und begann Die Silvesterglocken von Charles Dickens zu lesen.
    Alles begann mit der Erfahrung, eine Dezembernacht allein in einer Kirche zu verbringen:

    (…) Der Nachtwind hat eine böse Art, um ein Gebäude solcher Gattung herumzustreichen, dabei zu seufzen und zu klagen und mit unsichtbarer Hand an Fenster und Türen zu rütteln, um ein Luftloch zu finden, durch das er hineinkommen kann. Und wenn er sich eingeschlichen hat, wimmert und heult er, als ob er etwas suche und nicht finden könne, will wieder hinaus und gibt sich nicht zufrieden damit, durch die Gänge zu fahren und um die Pfeiler zu sausen und auf die brummende Orgel zu schlagen – - nein, er möchte auch noch hinauf und das Sparrenwerk zertrümmern. Dann wirft er sich wieder verzweifelt auf den steinernen Fußboden hin und steigt murmelnd in die Grabgewölbe. Heimlich kommt er wieder herauf, schleicht die Mauern entlang und liest leise flüsternd die Inschriften der Toten. Bei der einen bricht er in schrilles Gelächter aus, bei der nächsten klagt er und seufzt er. Es klingt so gespenstisch, wenn er sich hinter dem Altare versteckt und wilde Weisen singt von Übeltat und Mord, von der Anbetung der Götzen zum Trotze der Gesetzestafeln, die so glatt und schön aussehen und doch so oft schon besudelt und gebrochen wurden. Hu! Der Himmel bewahre uns und lasse uns ruhig und traulich am Feuer sitzen. Er hat eine grauenhafte Stimme, der Wind, um Mitternacht, wenn er in einer Kirche singt.
    Und gar erst oben im Turm! Da saust und pfeift der ungeschlachte Geselle hoch oben im Glockenstuhl, wo er frei aus und ein kann durch luftige Bogen und Mauerritzen und sich um die Wendeltreppe wickeln und den kreischenden Wetterhahn umherwirbeln und den Turm selber zittern und beben machen kann. Hoch oben im Kirchturm, wo der Glockenbalken steht und die Eisenriegel der Rost zernagt, wo die Platten von Blei und Kupfer, gerunzelt vom wechselnden Wetter, sich krachend biegen unter ungewohntem Tritt und die Vögel schmutzige Nester in die Ecken der alten eichenen Sparren und Balken stopfen; wo der Staub alt und grau liegt und gesprenkelte Spinnen, faul und fett geworden in träger Ruhe, bei den zitternden Schwingungen der Glocken, ohne den Halt zu verlieren, in ihren aus feinen Fäden in die Luft gesponnen Schlössern schwanken oder wie Matrosen empor klimmen oder sich hinab lassen – aufgeschreckt

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