Frühlingserwachen (Winterwelt Trilogie) (German Edition)
sich, ihn derart ausgelassen zu sehen. Immerhin schien der arme Kerl weder zu essen noch zu trinken und auch sonst sah es ziemlich spärlich aus, wenn man etwas Anderes als Fragen oder Rätsel aus ihm herausholen wollte. Außerdem war Lachen ja bekanntlich gesund, und so blass, wie er ansonsten aussah, konnte er das gut vertragen.
„Hör zu“, sagte Arrow, nachdem William sich wieder einigermaßen gefangen hatte. „Ich kann es verstehen, wenn dir das hier zu gefährlich erscheint und du lieber nicht dabei sein möchtest, wenn ich den Wolf los schneide. Ich gebe dir auch genug Vorsprung, damit er dich im Zweifelsfall nicht einholen kann. Aber verlange bitte nicht von mir, dass ich ihn hier so liegen lassen. Er muss schreckliche Dinge durchgemacht haben. Diese grauenvolle Fessel hat sich überall in sein Fleisch gebohrt, und zudem wird sie auch noch benutzt, um ihn für irgendwelche zweifelhaften Hetzjagden zu missbrauchen.“
Williams Augen verengten sich. „Du denkst, dass er ausgesandt wurde, um uns unschädlich zu machen?“
„Es wäre auf jeden Fall eine mögliche Erklärung. Aber im Grunde ist es mir auch ganz egal, ob es so ist. Und Genaueres über seine Absichten können wir nur erfahren, wenn wir es versuchen.“
„Arrow“, betonte William eindringlich und legte seine Hand auf ihre Schulter, während er mit ihr sprach, „wenn dies die falsche Entscheidung ist, könnte es das Ende deiner Reise bedeuten. Es gäbe dann niemanden, der deine Mission vollenden könnte. Ist es dir diese Sache wirklich wert?“
Arrow zögerte und wandte ihren Blick abermals auf den schwer atmenden Wolf. „Nein“, antwortete sie niedergeschlagen, „aber ich muss es trotzdem versuchen.“ Dann schnappte sie sich das Messer und fügte hinzu: „Außerdem habe ich einen Plan – sofern diese Sache funktionieren sollte ...“
Sieben Gegner
Der Weg zum Granitturm kam Arrow endlos vor, was mitunter daran liegen mochte, dass es sich nicht unbedingt bequem anfühlte, an einer Schlinge gefesselt von einem übergroßen Wolf mitgeschleift zu werden. Zudem schmerzten die Kratzer und Schürfwunden vom Kampf im Wald. Schlimmer wurde es allerdings, als sie bemerkte, dass sie nicht länger allein waren. Der Drang, die Augen öffnen zu wollen, wurde immer stärker, doch sie musste sich zusammenreißen, kostete es, was es wollte.
In ihren Gedanken malte sie sich die schauerlichsten Kreaturen um sich herum aus. Wer konnte schon sagen, was genau sie hier erwarten würde und wie es ihr gesonnen war? Ein bisschen Hoffnung setzte sie noch immer in die Stiefel, die sie – wie von Shoes aufgetragen – seit Betreten der Unterwelt nicht abgelegt hatte. Obwohl sie sich in diesem Augenblick nicht vorstellen konnte, dass ihr dieses Schuhwerk mehr von Nutzen sein könnte, als jeder andere x-beliebige Stiefel, aber an irgendwas musste sie jetzt einfach glauben. Außerdem hielt sie es nicht für besonders klug, sich irgendwelchen Zweifeln hinzugeben, die aus einer Angst und nicht aus Tatsachen entstanden waren.
Der Fenriswolf machte Halt. Schritte näherten sich und eine fürchterlich klingende Stimme sprach: „Was habe ich dir gesagt, Invidia? Mein Plan ist aufgegangen.“
„Das war pures Glück, weil das Mädchen so unsagbar dumm ist“, ertönte eine zweite Stimme. „Sie stinkt gerade zu vor Naivität.“
Die erste Stimme lachte höhnisch. „Neid – wie typisch für dich.“
„Oh Superbia, du langweilst mich. Geh doch lieber gleich zu Ira und prahle dort mit deinem großen Erfolg. Richtest du deine Worte an mich, so verschwendest du nur deine ach so kostbare Zeit.“
Invidia, Superbia und Ira – Neid, Hochmut und Zorn. Das waren drei der Sieben Todsünden, das wusste Arrow sofort.
Sie musste sich stark zusammenreißen, um ihre Anspannung nicht preiszugeben. Noch dachten sie, dass Arrow bewusstlos wäre, und vielleicht war es ein guter Trumpf, den es auszuspielen galt. Möglicherweise machte diese Annahme ihre Gegner unvorsichtig. Dann würden sie vielleicht Dinge verraten, die sie anderenfalls nicht so leichtfertig preisgeben würden. Immerhin kannte sie nun schon einige Namen ihrer Widersacher.
„Das gleiche Spiel wie jedes Mal, oder, Superbia?“, erklang eine weitere Stimme. „Denkst immer nur an deinen eigenen Vorteil und tust rein gar nichts für das Wohl der Allgemeinheit.“
„Na das kommt ja aus der richtigen Ecke, Gula“, erwiderte Superbia sarkastisch und entfernte sich.
Arrow hielt die Luft an. Konnte das
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