Frühlingserwachen (Winterwelt Trilogie) (German Edition)
wenig gab es ein Anzeichen auf das, was den Wald in diesen dämmrigen Schein tauchte.
Wenige Augenblicke später kam William herbei geeilt, legte Arrows Kopf in seinen Schoß und reichte ihr ihre Wasserflasche. Sie trank davon, als stünde sie kurz vor dem Verdursten. Als sie sich verschluckte und sich aufrichtete, um das Wasser abzuhusten, erblickte sie vor sich eine riesige, liegende Gestalt, die ebenso nach Atem rang.
„Geht es wieder?“, fragte William.
„Was für ein Hund ist das?“, entgegnete Arrow, ohne auf die Frage einzugehen oder den Blick von dem riesigen Tier abwenden zu können.
„Das ist kein Hund“, sagte William. „Es ist der Fenriswolf.“
Arrow entglitten die Gesichtszüge. Ungläubig wandte sie sich ihrem Begleiter zu und hoffte, sich verhört zu haben. „Aber das kann unmöglich sein. Der Fenriswolf ist ein Gott, der selbst von den Göttern gefangen gehalten wird.“
„Das ist richtig. Trotzdem ist es nicht ausgeschlossen, dass genau dieser Gott dort vor dir liegt“, entgegnete William. „Ich nehme an, du kennst seine Geschichte?“
Arrow ließ ihren Blick wieder zu dem Wolf schweifen. Wie er da lag, tat er ihr unfassbar leid, denn obwohl er ein Gott war, stand es nicht in seiner Macht, sich wehren, geschweige denn sich befreien zu können. Auch seine Augen strahlten nichts Göttliches aus. Sie wirkten einfach nur wie die eines jeden eingeschüchterten Wesens, das große Angst verspürte.
„Er ist ein Kind des Gottes Loki“, sagte Arrow.
William nickte. „Genau wie Sleipnir.“
Arrow überlegte. „Alles, was ich über ihn weiß, ist, dass die anderen Götter ihn fürchten und ihn deshalb mit einer magischen Fessel gefangen halten. Was sie jedoch so sehr ängstigt, weiß ich nicht.“
„Weil er mächtig genug ist, um alle anderen Götter vernichten zu können.“
„Das ist alles?“, erwiderte Arrow ungläubig. „Eine ziemlich ungerechte Strafe für eine derart banale Eventualität.“ Mitgefühl regte sich in ihr und so ging sie zu dem Wolf kniete neben seinem Kopf nieder und gab ihm etwas von dem Wasser, woraufhin er mit dem Schwanz wedelte und freudig quiekte.
Bestürzt musterte Arrow das Tier, dessen Körper mit Wunden übersät war.
„Ist das die magische Fessel?“, fragte sie und zeigte dabei auf einen hauchdünnen Faden, der sich eng um seinen Körper schnürte.
„Ja, das ist die magische Fessel Gleipnir. Sie wurde von Elfen aus den Sehnen der Bären, dem Atem der Fische, den Bärten der Frauen, dem Speichel der Vögel, dem Geräusch eines Katzentritts und den Wurzeln der Berge hergestellt.“
„Tolle Geschichte“, erwiderte Arrow sarkastisch, zückte ihr Messer und hielt es an die Fessel. Doch bevor sie auch nur einen Schnitt machen konnte, stieß William es ihr aus der Hand.
„Bist du verrückt geworden?“, sagte er erschrocken.
„Ihn hier so liegen zu lassen, wäre gefühllos!“, entgegnete Arrow entschlossen.
„Hast du vergessen, dass er dich gerade noch in Stücke zerreißen und anschließend verspeisen wollte?“
Arrow schlug die Augen nieder und dachte nach. Ihre Gesichtszüge entspannten sich. „Natürlich nicht“, entgegnete sie geknickt. „Aber wer kann schon sagen, warum ein gequältes Tier tut, was es tut? Vielleicht wurde er abgerichtet. So oder so kann ich ihn nicht so einfach sich selbst überlassen. Er ist so schutzlos und ich hätte einfach kein gutes Gefühl dabei, wenn ich ihn hier allein ließe. Bisher ist mir das noch nie bei einer angeblichen Bestie gelungen.“
„Noch nie?“, fragte William skeptisch. „Willst du mir damit etwa sagen, dass du derartige Kreaturen schon des Öfteren vor ihrem Schicksal bewahrt und mit nach Hause genommen hast?“
Mitfühlend strich Arrow dem Wolf abermals über den Kopf. „Bisher waren es nur ein Kelpie und ein Minotaurus“, sagte sie schulterzuckend. „Und ich glaube nicht, dass ich den hier mit nach Hause nehmen kann.“
„Aber ein Minotaurus ist auch nicht unbedingt gefährlich“, entgegnete William mit hochgezogenen Augenbrauen.
„Erzähl das mal meiner Familie. Die haben sich fast in die Hosen gemacht, als ich ihn vor unseren Kamin gesetzt und ihm anschließend noch etwas Essbares angeboten habe.“
„Was, wirklich?“, prustete William lachend los.
„Ja – kein Scherz“, erwiderte Arrow. „Sie haben ihm ein lebendiges Huhn als Speise gereicht und darauf gewartet, dass er es zerfleischt.“
William konnte sich nicht mehr halten vor lachen, und Arrow freute
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