Frühlingserwachen (Winterwelt Trilogie) (German Edition)
„immerhin sind wir hier in der Unterwelt. Ich bezweifele doch stark, dass sie bisher von vielen Leuten mit Absichten wie den meinen aufgesucht wurde.“
„Das ist wahr“, sagte William. „Und von all diesen Versuchen war auch nur eine einzige von Erfolg gekrönt, wobei Demeter – die Mutter der Persephone – die Unterwelt mit keinem einzigen Schritt betreten hat. Trotzdem war es ihr gelungen, ihre Tochter zeitweise daraus zu befreien.“
„So etwas in der Art hatte ich schon befürchtet“, entgegnete Arrow. „Denn irgendwelche sonstigen Reiseberichte habe ich trotz größter Bemühungen nicht finden können.“
William lachte. „Du redest, als würde es sich hier um einen Urlaub handeln.“
„Das muss ich auch“, erwiderte sie schulterzuckend. „Sonst würde ich das alles vermutlich nicht überstehen.“
William erwiderte diese Antwort mit einem bewundernden Lächeln. Im ersten Moment empfand sie es als angenehm, doch dann sprangen ihre Alarmglocken erneut an. Mit diesem Mann stimmte ganz eindeutig etwas nicht. Sie konnte es fühlen, und es zerriss sie beinahe. Und so schwieg sie erneut und plagte sich gedanklich mit unzähligen Fragen herum.
„Wir sollten eine Pause machen“, schlug William nach einer Weile vor. „Das erste Ziel ist nicht mehr weit entfernt und du solltest versuchen, deine Kräfte zu sammeln.“
Wie es ihr aufgetragen wurde, setzte Arrow sich an einen der Bäume und holte Wasser sowie Brot heraus. „Möchtest du gar nichts zu dir nehmen?“, fragte sie ihren Begleiter skeptisch, der es sich am gegenüberliegenden Baum bequem gemacht hatte.
„Nein“, antwortete er, sichtlich betrübt. „Ich habe nichts dabei und im Grunde auch gar keinen Hunger.“
Arrow wunderte diese Antwort nicht. Irgendwie hatte sie sogar damit gerechnet – als hätte sie es im Gefühl gehabt.
Während sie aß, schaute sie einer kleinen Spinne zu, die höchstens halb so groß wie ein Fingernagel war. Fleißig wob sie feine Fäden um Arrows Daumen und ließ sich dabei nicht im Geringsten von ihrer Beobachterin irritieren.
„Dann ist dieser Ort wohl doch nicht ganz so verlassen, wie es zunächst den Anschein hatte“, flüsterte Arrow der Spinne zu.
William, der mit geschlossenen Augen an seinem Baum lehnte und aussah, als würde er ein Nickerchen halten, fühlte sich wohl angesprochen und antwortete ihr. „Sie spenden den Versteinerten Trost. Die feinen Netze vermitteln ein Gefühl der Geborgenheit und manchmal, wenn die Seelen es zulassen, hören die Spinnen ihnen zu. Sie sind eine Art stille Wächter.“
Neugierig betrachtete Arrow das kleine Tierchen. „Das hört sich doch schon gar nicht mehr so düster an.“
„Trotzdem ist es für die Betroffenen hier nicht einfach“, entgegnete William.
„Das hatte ich auch nicht gedacht. Aber es macht die ganze Sache sicherlich leichter.“
Die Irrlichter saßen noch immer wie Espenlaub zitternd aneinander gekauert. Arrow hatte sie nie zuvor in einem derartigen Zustand gesehen. Sie stimmten keine Lieder an und spielten auch kein Poker, trotzdem hielten sie ihr letztes Blatt fest verkrampft in den Händen.
„Weißt du, was mich an meinem Ziel erwarten wird?“, fragte Arrow schließlich mit einem mulmigen Gefühl im Bauch.
„Spielt das jetzt noch eine Rolle?“, entgegnete William überrascht. „Jetzt bist du hier und kannst deinem Schicksal nicht entrinnen. Du wirst sehen, was geschieht – du hast es in der Hand. Ich wüsste nicht, welchen Nutzen es hätte, dich vorher schon damit zu konfrontieren.“
Arrow rollte mit den Augen. „Das war nicht unbedingt eine hilfreiche Antwort.“ Dann packte sie ihre Sachen zusammen, setzte die kleine Spinne wieder an ihren Baum und erhob sich.
William löste sich aus seiner bequemen Haltung und musterte sie eingehend. „Welche Antwort hast du denn von mir erwartet?“
Ungläubig schaute sie auf ihn herab. „Eine mit etwas mehr Informationen. Ein Hinweis auf meinen Gegner oder wie ich ihn bezwingen kann, wäre zum Bespiel sehr hilfreich gewesen.“
Von einem Augenblick zum nächsten war William auf den Beinen und schaute ihr ernst in die Augen. „Die wichtigsten Hinweise hast du bereits bekommen“, sagte er. „Du bestimmst selbst die Stärke deines Gegners und es gehört zu deinen Aufgaben, ihn zu erkennen. Bedeutendere Informationen gibt es nicht. Du kennst sie alle.“
Mit einem Anflug der Verzweiflung wandte Arrow sich von ihm ab. „Du bist und bleibst ein Rätsel.“
„Wie meinst du
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