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Frühstück bei Tiffany

Frühstück bei Tiffany

Titel: Frühstück bei Tiffany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Truman Capote
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doch jede. Habe ich nicht die Rechnung auf mich genommen, fünf Leute, alles Ihre Freunde, die ich nie zuvor gesehen hatte? Gibt mir das denn nicht das Recht darauf, daß Sie mich nun auch mögen? Sie mögen mich doch, Baby.»
    Er pochte leise, dann lauter gegen die Tür; schließlich ging er mit gekrümmtem Rücken und gesenktem Kopf einige Schritte rückwärts, als beabsichtigte er, vorzustoßen, sie einfach niederzubrechen. Anstatt dessen stürzte er die Treppe hinunter und schlug dabei mit einer Faust gegen die Wand. Gerade als er unten angekommen war, tat sich die Wohnungstür des Mädchens auf und sie steckte den Kopf heraus.
    «Ooh, Mr. Arbuck ... »
    Er drehte sich um, ein Lächeln der Erleichterung überglänzte ölig sein Gesicht; sie hatte nur Spaß gemacht.
    13
    «Das nächstemal, wenn ein Mädchen etwas Kleingeld haben will zum Händewaschen», rief sie, keineswegs im Spaße, «rate ich Ihnen gut, Herzchen: geben Sie ihr nicht zwanzig Cents!»
     
    Sie hielt das Mr. Yunioshi gegebene Versprechen; oder ich nehme doch an, daß sie nicht mehr auf seine Klingel drückte, denn in den nächsten Tagen begann sie das bei der meinen, manchmal um zwei in der Frühe, um drei und vier - sie hatte keine Hemmungen, zu welcher Stunde auch immer mich aus dem Bett zu holen, um den Drücker zu betätigen, der die Tür unten aufspringen ließ. Da ich nur wenige Freunde hatte und keinen, der so spät noch dahergekommen wäre, wußte ich immer, daß sie es war. Doch bei den ersten Malen, da dies geschah, ging ich an meine Tür, halb und halb in Erwartung schlechter Nachrichten, eines Telegramms; und Miss Golightly rief dann nur herauf: «Entschuldigung, Herzchen - ich habe meinen Schlüssel vergessen.»
    Selbstverständlich hatten wir einander nie kennengelernt. Wenngleich wir uns in Wirklichkeit auf der Treppe, in den Straßen, oft begegnet waren, doch schien sie mich nicht recht zu bemerken. Sie war nie ohne dunkle Brille, sie war stets untadelig angezogen, es lag unweigerlich guter Geschmack in der Schlichtheit ihrer Kleidung, deren Blaus und Graus und dem Fehlen jeglichen Flitters, was dafür ihr selbst so viel Glanz verlieh. Man hätte sie wohl für ein Photomodell, vielleicht auch eine junge Schauspielerin halten mögen, wäre nicht offensichtlich aus ihrem Stundenplan zu schließen gewesen, daß sie für keines von beidem Zeit gehabt hätte.
    Dann und wann begegnete ich ihr zufällig außerhalb unseres Stadtviertels. Einmal nahm mich ein durchreisender Verwandter mit ins «21», und da, an einem der exklusivsten Tische, umgeben von vier Männern, von denen nicht einer Mr. Arbuck, jedoch jeder ohne weiteres mit ihm auszutauschen war, saß Miss Golightly, lässig, und kämmte sich in aller Öffentlichkeit die Haare; und ihre Miene, ein unbewußtes Gähnen, wirkte mit ihrem Beispiel auf mich als Dämpfer der Erregung, die ich darüber empfand, an einem so todschicken Ort zu dinieren. An einem anderen Abend mitten im Sommer trieb mich die Hitze meines Zimmers auf die Straße hinaus.
    14
    Ich spazierte die Third Avenue hinunter zur fünfzigsten Street, wo ein Antiquitätenladen einen Gegenstand im Fenster hatte, den ich bewundernd betrachtete: einen Vogelkäfig-Palast, eine Moschee mit Minaretten und Bambusräumen, die sich danach sehnten, mit redseligen Papageien gefüllt zu werden. Der Preis jedoch war dreihundertfünfzig Dollar. Auf dem Heimweg bemerkte ich eine Ansammlung von Taxichauffeuren vor P. J. Clarks Bar, allem Anschein nach angezogen von einer seligheiteren Gruppe whisky-äugiger australischer Offiziere und deren baritonalem Gesang der «Waltzing Matilda». Während des Singens wirbelten sie abwechselnd ein Mädchen über das Kopfsteinpflaster unter der Stadtbahn, und dies Mädchen - Miss Golightly, wie nicht anders zu erwarten - wehte in ihren Armen herum, leicht wie ein seidener Schal.
    Doch wenn Miss Golightly weiterhin von meiner Existenz nichts ahnte, es sei denn als bequeme Türklingel, wurde ich im Laufe des Sommers eine Autorität in bezug auf die ihre. Ich entdeckte aus der Beobachtung des Abfallkorbs vor ihrer Tür, daß ihre regelmäßige Lektüre aus billigen Magazinen, Reiseprospekten und astrologischen Tabellen bestand, daß sie eine Sonderanfertigung Zigaretten mit dem Namen Picayune rauchte, sich von Quark und Melba-Zwieback am Leben erhielt, daß ihr verschiedenfarbiges Haar teilweise selbstverschuldet war. Aus der gleichen Quelle wurde offenbar, daß sie Soldatenbriefe in rauhen Haufen

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