Fruehstueck fuer Aasgeier - Wie Oelbosse und Finanzhaie die Weltherrschaft erlangten
Steuer eines Tankers fährt das Ding auf ein Riff und zerstört Tausende von Kilometern Küstenlinie? Nach dem Motto »Ups – tschuldigung«? Menschliches Versagen.
Die Zeitungen, Fernsehsender, alle schluckten sie die Geschichte vom menschlichen Versagen. Der Exxon-Konzern trug die Schuld, aber nur, weil er einen notorischen Saufkopf ans Steuer gelassen hatte.
Ich kaufte ihnen das nicht ab. Das war zu einfach, zu perfekt.
Die noch rauchende Waffe lag genau neben der Leiche, und überall klebten ölige Fingerabdrücke: »BETRUNKENER SKIPPER FÄHRT AUF RIFF.«
Wir hatten den Täter (Kapitän Hazelwood) und die Waffe (die VLCC Exxon Valdez ). Hazelwood war betrunken, und der betrunkene Kapitän fuhr das Schiff auf den Felsen, genau wie dein blöder Cousin Louie, der sich zwei Sixpacks reingezogen und dann seinen Pickup durch die Garagentür gefahren hat. Einfach. Zu einfach.
Und noch etwas war verdächtig. Exxon stritt nichts ab. Dem Konzern schien die Geschichte sogar zu gefallen: Jep, wir hatten einen Betrunkenen am Steuer. Der hat das Schiff zerlegt. War nicht unsere Schuld, dass er betrunken war, aber Junge, Junge, das tut uns vielleicht leid! Wir bezahlen natürlich für das Chaos, das er angerichtet hat. Fall erledigt.
Warum übernahm das größte Unternehmen auf diesem Planeten dermaßen bereitwillig die Schuld? Warum sagte es: »Wir waren es – das heißt, unser Käpt’n war’s –, und wir zahlen.«
Hatte Exxon etwa ein Herz? Eine Seele? Schuld- und Ehrgefühl?
War ich nur ein zynisches Arschloch, das den grausamen Konzernen immer das Schlimmste unterstellt?
Hazelwood wurde angeklagt, in betrunkenem Zustand ein Schiff gesteuert zu haben, und für schuldig befunden (der Schuldspruch wurde später wegen eines Formfehlers aufgehoben). Er zahlte eine Strafe, verlor die Lizenz und tat Buße in einer Suppenküche. Sein Arbeitgeber war schuldig, dem betrunkenen Kapitän die Verantwortung übertragen zu haben, und zahlte klaglos eine Strafe von fast einer Milliarde Dollar.
Warum gab ich mich damit nicht zufrieden?
Ob Exxon ein Herz hatte, wusste ich nicht, da ich nie das Vergnügen hatte, eine Autopsie vorzunehmen. Aber ich wusste, dass der Konzern
einen Plan hatte. Und ein anderes Unternehmen, das ich auf meiner Liste der Verdächtigen stehen hatte, British Petroleum, hatte im Verborgenen einen noch raffinierteren Plan ausgeheckt.
Cordova, Prinz-William-Sund, 1989
Nachdem ich innerhalb von 20 Stunden viermal das Flugzeug gewechselt hatte, saß ich in der Alaska-Bar in Cordova. Nicht um zu trinken – ich für meinen Teil war noch kein Alkoholiker. (Einmal abgesehen vom Kirschwein zum Passahfest hasste ich Alkohol.) Ich begann meine Recherchen dort, weil in Alaska fast alle Havarien ihren Anfang in einer Kneipe nehmen – egal, ob ein Schiff zerbricht oder eine Ehe.
In dieser Bar gegenüber den Docks traf ich den Eyak Cliff Olsen, einer meiner Kunden, der schon leicht beschwipst war. Eine Navigationskarte vom Tankerkanal hing neben dem Holztresen an der Wand. Cliff fuhr mit dem Finger die Route von Valdez zum Meer nach. »Teufel nochmal, ich habe stockbesoffen Schiffe durch die Meerenge gesteuert und nie ein Scheißriff gerammt.«
Wirklich?
Nachdem ich die Bar verlassen hatte, rief ich im World Trade Center an und sprach mit Gordon Arnott, einem gelernten Navigator, der mittlerweile Anwalt war. Viele Anwälte der Seerechtskanzlei hatten Schifffahrtserfahrung, und Arnott hatte sogar schon Tanker durch den Sund gesteuert. »Das stimmt«, sagte er. »In Valdez haben wir beim Auslaufen immer ein paar ›Limos‹ intus gehabt.«
Und noch etwas: Hazelwood hatte die Exxon Valdez gar nicht betrunken gesteuert. Er hatte sie gar nicht gesteuert. Er war nicht einmal in der Nähe des Steuerruders gewesen, denn er hatte bewusstlos unter Deck gelegen und seinen Rausch ausgeschlafen.
Nach und nach lichtete sich der Nebel.
Old Chenega, Knight Island
Exxon und seine Branchenpartner zahlten Vater Nicholas für das unschätzbar wertvolle Valdez einen Dollar. Aber Nicks Unterschrift reichte nicht aus. Damit das Ölkartell Valdez unter Verschluss nehmen konnte, musste Nicholas seinen Dollar mit anderen Chugach-Häuptlingen teilen, die ebenfalls unterschreiben mussten.
Das erste Opfer: der Tatitlek-Häuptling George Gordaoff. Im Jahr 1989 traf ich ihn in seinem Blockhaus im Alten Dorf, das viele Kilometer von Cordova entfernt mitten im Wald liegt. George, vom Alter gezeichnet, lag auf dem Sofa. Es ging ihm
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