Fruehstueck fuer Aasgeier - Wie Oelbosse und Finanzhaie die Weltherrschaft erlangten
in goldenen Anwaltsgebühren wert. Jeder Ureinwohner ließ sich wie ein Coupon gegen all diese schönen Dinge, einschließlich Rod Stewart, einlösen, wenn man nur einen zu fassen bekam.
Der Anwalt Melvin Belli, silbergraue Haare, wurde auf dem ersten Flug von San Francisco nach Anchorage von einem Mitreisenden angesprochen. »Wie ich sehe, Mr. Belli, sind Sie wieder auf der Suche nach Ambulanzen.« Belli erwiderte: »Madame, ich bin noch vor der Ambulanz am Unfallort.«
Für die klagenden Anwälte war es ein juristisches Schlachtfest. Wenige Tage nach dem Tankerunglück erklärte Exxon, dass man für alle Schäden aufkommen würde. Das jedenfalls sagte ein Vertreter im Fernsehen. Exxon würde »alles tun, was für ihr Wohlbefinden nötig ist«.
Es gab demnach keinerlei Risiko: Man suchte sich einen Eskimo, ging vor Gericht und sackte seinen Anteil ein. Schnell, einfach, lukrativ. Die Anwälte des Ölkonzerns, die ihnen gegenübersaßen, träumten nicht nur von einem Mercedes, sondern bestellten ihn bereits an dem Tag, an dem der Tanker auf Grund lief: Ab vier Minuten nach Mitternacht berechneten sie pro Woche ein Strandhaus in Malibu – und sie würden es bekommen, egal, ob sie den Prozess gewannen oder verloren.
Ich versuchte den Kerl wach zu bekommen, der am Empfang vor meinem Bürogebäude in der Second Avenue schlief. Meine Nachbarin hatte die Crack-Fläschchen noch nicht eingesammelt (sie verwandelte sie in Kunstobjekte). Ich hatte einen Becher Kaffee in der einen Hand, einen Bagel mit Frischkäse und Frühlingszwiebeln in der anderen und hörte, dass oben unablässig mein Telefon klingelte. Ich bezahlte dem Typ in der Glasbox seinen Wegzoll (fünfzig Cent), lief hastig die Treppe hinauf (Kehrt eigentlich nie jemand die Stufen?) und nahm die Nachricht entgegen, ich möge ins World Trade Center kommen, »Sofort, Palast« .
Hill, Betts und Nash ist eine dieser stillen New Yorker Anwaltskanzleien, die Ihre Majestät und die Lloyd’s List in Seerechtsfragen vertritt. Die Anwälte kümmerten sich darum, dass Britannia die Weltmeere beherrschte, und hatten sich auch der letzten kleinen Schweinerei angenommen, die BP mit der Havarie der Torrey Canyon angerichtet hatte. Diese Herren eilten nicht an den Prinz-William-Sund, um sich einen Eskimo zu schnappen, konnten jedoch darauf zählen, dass die Anwälte der Ureinwohner sie mit den Seerechtssachen beauftragen würden.
Anwälte brauchen Fakten (hin und wieder), auf deren Basis sie argumentieren und den Schaden und damit ihre Gebühren berechnen können. Als ich an diesem Morgen auf den Titelblättern das Bild des Exxon-Tankers sah, rechnete ich daher schon mit einem Anruf. Als Detektiv war ich auf die Arbeiten spezialisiert, die vernünftige Menschen todlangweilig finden, weil man dafür Computer-Algorithmen entwickeln (oder zerstören) muss, sich vor allem aber in Zehntausende Seiten verstaubter Unternehmensakten und Jahrzehnte alter Rechnungsbücher vertiefen muss. Für meine Kunden war das Millionen, ja Milliarden wert, und sie zahlten dafür meine Bagel.
Ich lief wieder nach unten, rannte an der Glasbox vorbei (ich zahlte nur, wenn ich hineinging, nicht hinaus) und nahm ein Taxi zum World Trade Tower One, in dem Hill, Betts den gesamten 52. Stock in Beschlag nahmen. Die missbilligenden Blicke der Rezeptionsdame ignorierend (ich kleidete mich wie ein Gammler), ging ich durch einen diskreten, mit Teppich ausgelegten Gang, der mit Modellen von Klippern,
Dampfschiffen, Kreuzfahrtschiffen und den Porträts der schnurrbärtigen Firmengründer gesäumt war, zum Büro des Seniorpartners. Wenn ich dort bis in die Nacht arbeitete und hin und wieder aus dem Fenster sah, haute mich der Blick auf die Freiheitsstatue und die hübschen Lichter des Verkehrsstaus auf der West Side Highway immer wieder um.
»Das wird Ihnen gefallen, Palast. Es ist alles für Sie dabei: der große böse Ölkonzern, ölverschmierte Bäume und Vögel — und arme kleine Indianer.« Greg O’Neill machte sich gern über sentimentale Linke wie mich lustig.
An der Rezeption erhielt ich einen Umschlag mit einem Delta-Ticket nach Anchorage.
»Palast« – O’Neill grinste noch breiter – »ich sage Ihnen: Das wird Ihr Vietnam.« Na, immerhin war das Flugticket erster Klasse.
Unsere Chugach-Klienten übertrugen dem exklusiven Anwaltsteam als Erstes eine Klage, die verhindern sollte, dass die Exxon Valdez in die Gewässer von Alaska zurückkehrte. Nicht irgendein anderer Tanker, sondern
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