Fruehstueck fuer Aasgeier - Wie Oelbosse und Finanzhaie die Weltherrschaft erlangten
gekommen, »das Federkleid anzulegen«. Vielleicht würde die Scham, gepaart mit guter PR, den Exxon-Tiger zähmen. Sie führte ein Gefolge von Eskimos zur jährlichen Aktionärsversammlung des Konzerns in Orlando.
Kathryn trug auf der Exxon-Disney-World-Versammlung die Tränenmaske. Die türkisfarbene Holzmaske war verziert mit Adlerfedern und Tränen, die aus einem mir unbekannten glänzenden Material bestanden.
Mit Unterstützung barmherziger Nonnen, die Exxon-Aktien hielten (fragen Sie nicht), konfrontierte Kathryn den Exxon-Vorstand mit der Maske. »Immer wenn unser Volk in Gefahr ist, holen wir unsere traditionelle Tränenmaske heraus. Sie weint um unsere uralte Lebensweise. Sie müssen uns helfen.«
Die Manager gaben sich tief bewegt.
Die Tränenmaske war wohl tatsächlich eine Tradition der Chugach, allerdings eine, die erst wenige Monate vor ihrem Auftauchen in Disney World entstanden war. Geschaffen hatte sie ein Künstler aus Cordova, angeregt von den Ideen eines Professors aus Seattle.
Kaktovik 2010; Das Alte Dorf 1969
In Kaktovik fragte ich Etok, wie BP und Exxon es geschafft hatten, den Chugach am Sund Port Valdez für einen Dollar abzuluchsen.
»Ach ja, die Ein-Dollar-Krieger. Die Athna auch. Die Konzerne haben sie mit einem Dollar in die Tasche gesteckt, die feigen Arschlöcher. Das war Verrat; korrupte Scheißkerle, die müssten alle mit den Amerikanern und den Briten im Gefängnis sitzen.«
Der junge Rebell aus Harvard hatte mit ihnen geschimpft. »Ich habe ihnen gesagt, sie sollen sich einen Anwalt nehmen, den die Ölkonzerne nicht in der Tasche haben, und in Alaska bekommt man den nicht.« Etok war nach Seattle geflogen, wo er seine zwei Juden aufgetrieben hatte: Arthur Goldberg, ehemals Richter am Obersten Gerichtshof (mein Cousin zweiten Grades) und später einer von Goldbergs Nachfolgern am Gerichtshof, Abe Fortis, der persönlicher Berater Lyndon B. Johnsons war.
Etok hatte null Mitleid mit Vater Nicholas und den Ein-Dollar-Kriegern. Wie konnte ich Etok umstimmen?
Vielleicht so: Kein Chugach war aufs Eis zurückgekehrt, weil er San Francisco und das Universitätsleben satt hatte. Die Flüchtlinge aus Chenega und die anderen Chugach waren arm wie Kirchenmäuse. Als Humble Oil auftauchte, hatte ihre Native Association genau 129 Dollar auf der Bank. Ich habe die alten Dokumente eingesehen. Wie sollten diese Ureinwohner, die Aluutiq besser sprachen als Englisch, nach Seattle kommen? Mit dem Kajak? Sie konnten sich nicht einmal ein gebrauchtes Hühnchen-Sandwich leisten, geschweige denn ein Flugticket.
Außerdem erhielten sie den Rechtsbeistand umsonst. Ein großes Tier aus Anchorage, Clifford Groh Sr., erbot sich, das Geschäft mit den Konzernen für sie auszuhandeln. Woher zum Teufel sollten die Chugach wissen, dass Groh drauf und dran war, hoch dotierter Syndikus eben dieser Konzerne zu werden?
Mit Groh senior sprach ich 1997. In Alaska gehören offenkundige Interessenskonflikte zum Alltag. In seinem Büro in Anchorage hing an der Wand die »Zunge« eines riesigen Pottwals – wahrscheinlich,
weil es nicht schicklich gewesen wäre, die Haut eines Chugach aufzuhängen.
Heute kann man sich kaum vorstellen, wie das vor vier Jahrzehnten in dem Pfahlhaus ablief, als der ehrwürdige Älteste Cecil Barnes in der Dämmerung Vater Nick, Henry Markarka (»Kleiner Vogel«) aus dem Dorf Eyak und den Kvasnikoffs aus Nanwalek die Kapitulation nahelegte. Sie sollten Valdez aushändigen und nehmen, was sie dafür bekamen – überwiegend Müllarbeiterjobs im Hafen.
Warum gingen die Eskimos auf das Angebot der Ölkonzerne und Grohs Ammenmärchen ein? Glaubten sie ihm? Um meine Betrugstheorie zu untermauern, schaute ich bei Agnes Nichols vorbei, Eyak-Häuptling auf Lebenszeit. Sie hatte als junge Frau mit Stenographie-Kenntnissen die Beratungen der Eskimos protokolliert. Ihre Hütte war ein Museum, vollgestopft mit Kunstgegenständen der Eskimos und Indianer, die sie auf ihren Reisen gesammelt hatte, unter anderem eine Pocahontas-Porzellanfigur mit Lampenschirm auf dem Kopf. Die Matriarchin suchte die Mitschrift von Barnes’ Worten heraus.
»Wart ihr im Sommer an der Mündung des Ship Creek? Wie viele Lachse hingen da zum Trocknen? Seht in der Gegend von Cordova nach, in Eyak, in Alganik. Da haben sie alles beiseite geschafft, um Platz für die Eisenbahn zu machen. Wo ist Alganik jetzt? Weg. Wo sind die Eyak? Wir sind fast ausgestorben. Wie viele von uns werden 40 Jahre alt? Wie viele von euch
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