Fruehstueck fuer Aasgeier - Wie Oelbosse und Finanzhaie die Weltherrschaft erlangten
war wahr geworden.
Anchorage, Alaska, 1991
Damit die Eskimos Exxon und BP wegen des Verlustes ihrer Lebensweise verklagen konnten, musste ich nach wie vor den Wert dieser Lebensweise ermitteln.
Wie bewertet man, dass die Kinder nicht lernen, wie man eine Robbe jagt? Wie misst man die Verzweiflung, die in Alkoholismus mündet, und das plötzliche Ende einer 3000 Jahre alten Lebensweise?
Die Antwort lautet: mit dem Computer. Ich hatte einen ungeheuer komplizierten Software-Algorithmus entwickelt, den mir Professoren an der Wharton School of Economics perfektioniert hatten und mit dem man den, wie wir es in der Ökonomie bezeichnen, »hedonischen Wert« messen kann. Ich kann mit faszinierender und furchtbarer Genauigkeit voraussagen, wie viele Selbstmorde, Fälle von häuslicher Gewalt und Todesfälle als Folge einer Ölpest, der Schließung einer Waffenfabrik oder anti-muslimischer Aufstände zu erwarten sind. Wir übersehen gern, dass alles seinen Preis hat.
Als sich der Bürgermeister des Fischerdorfes Cordova das Leben nahm und einen Brief hinterließ, in dem er Exxon die Schuld gab, waren die Leute entsetzt. Ich nicht. Es würden noch 35 Fälle folgen.
Ich gebe zu, dass der hedonische Schaden meine Fähigkeiten zur Quantifizierung überstieg. Beispielsweise fragte ich den Leadgitarristen der Rockband von Nanwalek mit dem Sugestun-Namen Kwadl’k, »Stinkender After«, ob er seit der Ölkatastrophe Veränderungen in seiner Gefühlslage festgestellt habe. »Na ja«, erwiderte er im langsamen, nachdenklichen Eskimo-Tonfall, »ehe wir Satellitenfernsehen bekamen, wussten wir nicht, wie hässlich unsere Frauen sind.«
Richter Russell Holland fällte sein Urteil am 23. März 1994. Als Entschädigung für den Schaden an der Kultur und Lebensweise der Ureinwohner musste Exxon nichts zahlen.
Alle Einwohner Alaskas haben das Recht auf eine Subsistenz-Lebensweise, nicht nur die Ureinwohner Alaskas. […] Weder die lange Zeit, in der die Ureinwohner Alaskas eine Subsistenzwirtschaft betrieben haben, noch die Art, in der sie diese Lebensweise pflegten, macht die Lebensweise der Ureinwohner Alaskas einzigartig. […] Die Entscheidung, »[der Subsistenzwirtschaft] nachzugehen« ist die Wahl eines Lebensstils. […] Die Wahl des Lebensstils wurde vor der Ölkatastrophe getroffen und nicht von der Ölkatastrophe verursacht.
Es ging also nur um die Wahl eines »Lebensstils«, so wie man Yves Saint Laurent Gucci vorzieht. Es hatte ja auch sein Gutes. Im Alten Dorf sagte mir Agnes Nichols, Häuptling auf Lebenszeit bei den Eyak: »Wenigstens sind die verdammten Otter tot.«
Cordova, 2010
Moose war sauer. Moose Hendricks ist Häuptling der Eyak, eines Stammes, der unweit des Fischereihafens Cordova südlich von Valdez lebt. »Wo zum Teufel kann man solche Grundstücke für 40 Dollar pro Hektar kaufen?«
Aber Moose, sage ich, das Land ist voller Öl. Es ist immer noch Öl drauf, auch 20 Jahre danach.
Zumindest muss ich zugeben, dass Exxon das glänzend macht: Erst verschleimt der Konzern Grund und Boden mit Öl, und dann kauft er ihn billig auf – weil das Land voller Öl ist.
Als die Lachse vergiftet und die Heringe geflohen waren, war Cordova am Ende. Es führen keine Straßen in die Stadt oder hinaus. Cordova lebte ausschließlich vom Fischfang, und der war erledigt. Exxon beschuldigte Mutter Natur, die Heringe umgebracht zu haben, der Bürgermeister beschuldigte in seinem Abschiedsbrief Exxon. Den einzig sicheren Job in der Stadt hatte der, der die nicht abbezahlten Fischerboote wieder abholte. Eins davon gehörte Moose.
Am Verkauf von Valdez für einen Dollar an das BP-Konsortium ärgerte ihn nicht nur der Preis. »Wer war Cecil Barnes, dass er Valdez einfach hergeben konnte?« Nun, er gab es für die Chugach her, weil er sie erfunden hatte. Seit Jahrtausenden lebten die Ureinwohner dort, doch sie zu einem praktischen kleinen Haufen namens »Chugach« zusammenzuschnüren, war Barnes’ Idee. Moose hielt das nicht für Tradition, sondern für Mumpitz.
Wie also kam es dazu, dass die indigene Bevölkerung unter dem Etikett »Chugach« zusammengefasst wurde? Die Antwort beginnt mit einer weiteren Frage: Cui bono? Wem nützte es?
Die Konzerne brauchten jemanden, der ihren Dollar nahm und auf einer gestrichelten Linie unterzeichnete. Sie mussten Cecil Barnes’ Leuten Valdez erst geben, damit sie es ihnen rechtmäßig wieder abnehmen konnten. Moose weist darauf hin, dass an dem Handel nur fünf Dörfer beteiligt
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