Frühstück mit Kängurus
Jahre auf dem Buckel. Sie wurde erst 1970 als neue normal spurige Strecke quer durchs Land gebaut. Davor benutzten australische Eisenbahngesellschaften aus vielerlei abstrusen Gründen, die alle was mit Misstrauen und Neid zwischen den Regionen zu tun hatten, verschiedene Spurweiten. In New South Wales betrug sie 1435 mm, Victoria entschied sich für großzügigere 1600 mm und Queensland und Western Australia, sparsam, wie sie waren, für 1067 mm - so ungefähr der Spurweite von Karussellbahnen auf dem Rummel. South Australia war mit allen drei Maßen besonders originell. Auf Reisen von der Ost- zur Westküste mussten Fahrgäste und Fracht fünfmal aus einem Zug ausgeladen und in den anderen wieder hineingepackt werden, ein langwieriges idiotisches Unterfangen. Schlussendlich obsiegte aber die Vernunft und eine völlig neue Strecke wurde gebaut. Nach der Transsibirischen ist das nun die zweitlängste Eisenbahnstrecke der Welt.
Das weiß ich alles, weil Trevor und ich zum Essen mit einem ruhigen Lehrerehepaar mittleren Alters aus dem ländlichen Norden Queenslands zusammensaßen, Keith und Daphne. Für sie mit ihren Lehrergehältern war das eine tolle Reise, und Keith hatte seine Hausaufgaben gemacht. Begeistert erzählte er von der Eisenbahn, der Landschaft, den Buschfeuern - wir fuhren durch Lithgow, wo erst kürzlich hunderte Morgen Busch verbrutzelt und zwei Feuerwehrleute umgekommen waren -, aber als ich ihn nach den Aborigines fragte (mögliche Landreformen wurden gerade viel in den Nachrichten diskutiert), wurde er plötzlich nervös und einsilbig.
»Das ist ein Problem«, sagte er und starrte angelegentlich auf sein Essen.
»In der Schule, an der ich unterrichte«, erzählte Daphne zögernd, »also, wenn die Aborigine-Eltern ihr Arbeitslosengeld bekommen, vertrinken sie es und gehen walkabout, das heißt wochenlang auf Wanderschaft. Und die Lehrer müssen ... wir müssen den Kindern was zu essen geben. Aus unserer eigenen Tasche bezahlen wir das. Sonst würden sie schlichtweg nichts kriegen.«
»Es ist ein Problem«, wiederholte Keith, immer noch auf sein Essen konzentriert.
»Eigentlich sind sie richtig nett. Wenn sie nicht trinken.«
Und damit war das Gespräch mehr oder weniger beendet.
Nach dem Essen unternahmen Trevor und ich einen Ausflug in den Salonwagen. Während Trevor zum Tresen ging und bestellte, sank ich in einen Sessel und betrachtete die dämmrige Landschaft. Es war Farmland, ziemlich dürr. Die Hintergrundmusik hatte gewechselt. Nach »Beliebten Showmelodien« kam nun »Party im Pflegeheim«. Gerade verklang »Rolling Out the Barrel« und wurde rasch gefolgt von »Toot Toot Tootsie Goodbye«.
»Interessante Musikauswahl«, bemerkte ich trocken gegenüber dem jungen Paar mir gegenüber.
» Ja, wundersch ö n! « , erwiderten beide, aufrichtig begeistert.
Ich unterdr ü ckte einen Aufschrei und wandte mich an den Mann neben mir - einen gebildet aussehenden ä lteren Herrn im Anzug, was auff ä llig war, weil alle anderen im Zug legerer gekleidet waren. Wir plauderten ü ber dies und das. Er war pensionierter Anwalt aus Canberra und wollte seinen Sohn in Perth besuchen. Da er vern ü nftig und aufgeschlossen wirkte, erw ä hnte ich, streng vertraulich nat ü rlich, mein verwirrendes Gespr ä ch mit den Lehrern aus Queensland.
» Ach, die Aborigines « , sagte er und nickte ernst. » Ein gro ß es Problem. «
» Kann ich mir denken. «
» Aufgekn ü pft geh ö ren die, alle miteinander. «
Erschreckt schaute ich ihn an und stellte fest, dass er richtig w ü tend war.
» Alle miteinander, diese Mistkerle « , sagte er mit zitternden Lefzen und entfernte sich ohne ein weiteres Wort.
Da wurde mir klar, dass ich mich mit dem Problem der Aborigines besch ä ftigen musste. Doch bis ich die Dinge genauer durchschaute, plauderte ich wohl besser ü ber simplere Dinge: das Wetter, die Landschaft, beliebte Showmelodien.
Z ü ge sind im Vergleich zu Hotels deshalb so toll, weil sich - wen wundert's! - der Ausblick st ä ndig ä ndert. Am Morgen erwachte ich in einer neuen Welt: rote Erde, Gestr ü pp, ein riesiges Firmament, nur gelegentlich ragte ein skelettartiger Eukalyptus in den Horizont. Als ich verschlafen von meinem engen Hochsitz lugte, sprang gar nicht weit von mir, aufgeschreckt von dem Zug, ein K ä ngurupaar daher. Ein aufregender Moment. Nun waren wir definitiv in Australien!
Wir kamen kurz nach acht in Broken Hill an und stiegen blinzelnd aus dem Zug. Ü ber dem Land hing eine
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