Frühstück mit Kängurus
knisterte es leise wie bei einer Übertragung von einer sehr weit entfernten Galaxie, und dann erklangen Geräusche, die als menschliches Sprechen erkennbar, aber zu undeutlich waren, als dass man sie hätte verstehen können.
»Hallo, guten Morgen, Kylie. Bist du da? Kannst du mich hören? Over.«
Diesmal herrschte traurige Stille; der Äther schwieg. Dann: »Okay, versuchen wir's bei Gavin. Guten Morgen, Gavin. Bist du da? Over.«
Wieder knisterte es, und dann vernahm man ein winziges blechernes Stimmchen: »Guten Morgen, Miss Smith.«
Und so ging es weiter; manche Stimmen ertönten laut und klar, viele andere waren mal da, mal nicht oder drangen überhaupt nicht durch. Während ich mir das anhörte, las ich in einem Büchlein, das ich erstanden hatte, dass jedes Kind nur eine halbe Stunde (ja nur »bis zu einer halben Stunde«) pro Tag am Funkgerät verbringt; plus zehn Minuten pro Woche Individualunterricht bei den Lehrern ist das ja wohl kaum ein üppiges Maß an persönlicher Aufmerksamkeit. Sie sollen jedoch fünf bis sechs Stunden am Tag unter Aufsicht der Eltern oder eines Kindermädchens lernen, wobei sie nun auch Fernsehen, Videorecorder und Computer benutzen. Davon sah ich aber nichts. Zögernd, doch unweigerlich, kommt man zu dem Schluss, dass es in der School of the Air immer und ewig 1951 ist.
Verblüffend fand ich allerdings, dass offenbar keine Aborigine-Kinder mitmachen. Auf den Fotos waren jedenfalls keine zu sehen. Der Bevölkerungsanteil der Aborigines beträgt im Northern Territory insgesamt zwanzig Prozent, doch im tiefen Outback ist der Anteil viel höher. Beim Abschied fragte ich den Mann danach.
»Ach, ein paar sind dabei«, sagte er. »Wie viele es im Moment sind, weiß ich nicht, aber ein paar schon. Das Problem ist natürlich, dass die Schüler von einem kompetenten Erwachsenen betreut werden müssen.«
Ich wartete einen Moment, dann sagte ich: »Natürlich? Tut mir Leid, das versteh ich nicht.«
» Sie brauchen einen zuverl ä ssigen, gewissenhaften Erwachsenen mit elementaren Kenntnissen im Lesen und Schreiben. «
» Und die haben Aborigine-Eltern nicht? «
Er sah ungl ü cklich aus, als sollten wir dieses Thema doch bitte nicht weiter verfolgen. » Nein, leider nicht. Nicht immer. «
» Aber wenn Sie den Kindern keinen Unterricht erteilen, weil die Eltern ihnen nicht helfen k ö nnen, haben diese Kinder, wenn sie Eltern werden, auch keine elementaren Kenntnisse im Lesen und Schreiben, oder? «
» Ja, das ist ein Problem. «
» Und so geht es dann immer weiter? «
» Es ist ein sehr gro ß es Problem. «
» Verstehe « , sagte ich, obwohl ich es nat ü rlich ü berhaupt nicht verstand.
Dann ging ich in die Stadt. Ich kaufte mir eine Zeitung und setzte mich in ein Stra ß encafe in der Todd Street, einer Fu ß g ä ngerzone. Ich las ein, zwei Minuten, schaute mir dann aber die Szenerie um mich herum an. Es waren ziemlich viele Leute unterwegs, die ihre Samstagseink ä ufe erledigten. In der Mehrzahl wei ß e Australier, doch es gab auch Aborigines - nicht sehr viele, aber allgegenw ä rtig, am Bildrand, unauff ä llig, fast immer schweigend, im Abseits. Die Wei ß en schauten die Aborigines nie an und die Aborigines nie die Wei ß en. Die beiden Gruppen schienen getrennte, aber parallele Welten zu bewohnen. Ich kam mir vor, als sei ich der Einzige, der beide auf einmal wahrnahm. Es war sehr seltsam.
Ein gro ß er Teil der Aborigines sah aus wie verpr ü gelt. Viele hatten geschwollene Gesichter, als seien sie in ein Hornissennest geraten, und eine im Grunde absurde Anzahl trug Verb ä nde um Schienbeine, Ellenbogen, Stirn oder Knie.
Mir fiel ein, dass man sich in der Strehlow-Ausstellung lang und breit dar ü ber ausgelassen hatte, dass die kaputtesten Aborigines die in der Stadt waren. Man wollte Besuchern wie mir wahrscheinlich klar machen, dass man nicht alle Aborigines nach den dem ü tigen Wracks beurteilen sollte, die man in den St ä dten durch die Stra ß en schlurfen sah. Ich hatte es trotzdem merkw ü rdig und arrogant gefunden, denn es schien zu implizieren, dass die Aborigines zwei Alternativen in ihrem Leben hatten: auf den Missionsstationen zu bleiben, wo es ihnen gut ging, oder in die Stadt zu gehen und in Armut und Verwahrlosung abzugleiten.
Ich musste an die Worte einer berühmten Bewohnerin des Outback denken. Daisy Bates kam 1884 aus Irland nach Australien, lebte jahrelang unter den indigenen Völkern Western Australias und erforschte sie. In dem
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