Frühstück mit Kängurus
ö ren sie zu den Forellen. «
Die Besiedelung wurde des Weiteren dadurch erschwert, dass man sich auf Gefangene verlassen musste, die sich h ö chstens aus Eigeninteresse f ü r etwas engagierten. Die pfiffigeren lernten schnell, sich leichte Aufgaben zu erschwindeln. Ein Bursche namens Hutchinson, der auf eine wissenschaftliche Apparatur stie ß , die in einem der Schiffslader ä ume verstaut war, redete seinen Vorgesetzten ein, dass er alles nur Erdenkliche ü ber Farbstoffe wisse, und f ü hrte monatelang komplizierte Experimente mit Bechern und Messwaagen durch, bis allm ä hlich ü berdeutlich wurde, dass er nicht die geringste Ahnung hatte, was er da trieb. Wenn die Gefangenen ihre Herren nicht betr ü gen konnten, betrogen sie ihre Mitgefangenen. Jahrelang existierte ein illegaler Handel mit Landkarten, die man neu angekommenen Str ä flingen mit dem Versprechen verscherbelte, sie zeigten, wie man nach China laufen k ö nne. Ü berzeugt, dass dieses zauberhaft gastfreundliche Land gleich am anderen Ufer eines gar nicht weit entfernten Flusses liege, flohen bis zu sechzig auf einmal aus der Haft.
1790 hatte man die Staatsfarm schon wieder aufgegeben und war ohne Hoffnung auf Hilfslieferungen aus England verzweifelt auf die schwindenden Vorr ä te angewiesen. Die Vorr ä te waren ja nicht einfach nur knapp, sondern mittlerweile Jahre alt und kaum noch genie ß bar, der Reis so voller R ü sselk ä ferlarven, dass » jedes Korn ... ein lebendes Wesen war « , wie Watkin Tench pikiert bemerkte. Auf dem H ö hepunkt der Krise wachten die Siedler eines Morgens auf und stellten fest, dass ein halbes Dutzend ihrer verbliebenen Rinder auf Nimmerwiedersehen entfleucht war. Man war ernsthaft in Gefahr.
Manchmal hatte die hoffnungslose Lage etwas regelrecht Anr ü hrendes. Als die Aborigines einen Str ä fling namens McEntrie umgebracht hatten, schickte Gouverneur Phillip mit einer f ü r ihn untypischen Wut (es war kurz nachdem er selbst aufgespie ß t worden war) einen Trupp Soldaten auf eine Strafexpedition mit dem Befehl, sechs K ö pfe mit zur ü ckzubringen - egal, welche. Die Soldaten stapften ein paar Tage im Busch herum, fingen aber nur einen Aborigine, der wieder freigelassen wurde, als man feststellte, dass er ein Freund war. Am Ende fingen sie ü berhaupt niemanden und die ganze Angelegenheit wurde stillschweigend vergessen.
Der von all diesen M ü hsalen ersch ö pfte Phillip wurde nach vier Jahren nach Hause beordert und zog sich nach Bath zur ü ck. Au ß er Sydney zu gr ü nden vollbrachte er noch etwas Denkw ü rdiges: Er schaffte es 1814, aus einem Rollstuhl durch ein offenes Fenster aus einem oberen Stockwerk zu fallen und zu sterben.
II
In dem Cappuccino-Paradies des modernen Sydney kann man heute auch nicht ansatzweise ein Gefühl dafür entwickeln, wie das Leben damals in den ersten Jahren war. Unter anderem, weil sich die Dinge seitdem offensichtlich ein wenig weiter entwickelt haben. Wo vor zweihundert Jahren primitive Hütten und durchhängende Zelte standen, erhebt sich heute eine ansehnliche Metropole. Die Verwandlung ist derart vollkommen, dass man sich die Anfänge gar nicht mehr vorstellen kann, die im Übrigen selbst heute noch ein winziges bisschen im Dunkel gehalten, wenn nicht sogar verdrängt werden.
In der ganzen Stadt findet man keinen Gedenkstein f ü r die Erste Flotte. Im National Maritime Museum oder dem Museum von Sydney wird zwar der Eindruck vermittelt, dass einige der ersten Siedler Entbehrungen litten - man kann sogar auf die Idee kommen, dass ihre Anwesenheit nicht ganz freiwillig war -, aber ü ber die Tatsache, dass sie in Ketten hier ankamen, mogelt man sich elegant hinweg. Auch ich kann best ä tigen, wenn man vor einer Zuh ö rerschaft freundlichster Australier auch nur den kleinsten Scherz ü ber die Vergangenheit als Strafkolonie macht, f ä llt die Raumtemperatur sofort um ein Erkleckliches.
Dabei finde ich, dass die Australier allen Grund haben, stolz zu sein, dass sie aus den verquersten, misslichsten Anf ä ngen in einem abgelegenen, schwierigen Land eine bl ü hende, dynamische Gesellschaft geschaffen haben. Das ist doch eine Wahnsinnsleistung. Was macht es da, dass der liebe alte Opa in seiner Jugend ein ü bler Langfinger war? Was er hinterlassen hat, z ä hlt!
Also zur ü ck zum Circular Quay in Sydney, wo vor zweihundert Jahren Gouverneur Phillip und sein chaotisches, salzverkrustetes Tr ü ppchen an Land gingen. Denn genau dort stand ich nach
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