Frühstück mit Kängurus
man nie gr ü nes Licht gegeben h ä tte, wenn man gewusst h ä tte, auf was man sich da einlie ß . Allein die Konstruktionsprinzipien f ü r das Dach auszuarbeiten w ä hrte f ü nf Jahre. Dabei sollte die gesamte Bauzeit nicht l ä nger als sechs dauern. Man brauchte schlie ß lich fast eineinhalb Jahrzehnte, und die letztendlichen Kosten beliefen sich auf gewichtige einhundertundzwei Millionen Dollar, vierzehnmal so viel wie urspr ü nglich gesch ä tzt.
Interessanterweise hat Utzon seine hochgelobte Kreation nie zu Gesicht bekommen. Nach einem Regierungswechsel in New South Wales 1966 entlie ß man ihn, und er kam nie wieder nach Australien zur ü ck. Er entwarf auch nie wieder etwas nur entfernt so Gefeiertes. Ironie der Geschichte: Auch Goossens, der Mann, der das alles angezettelt hatte, sah nie, wie sein Traum wahr geworden war. Als er 1956 auf dem Flughafen in Sydney durch den Zoll musste, fand man bei ihm eine pr ä chtige, breit gef ä cherte Sammlung pornografischer Literatur und bat ihn, sich mit seinen schmutzigen, europ ä ischen Angewohnheiten woandershin zu verf ü gen.
Das Opernhaus ist ein herrliches Geb ä ude, und ich will es auch gar nicht mies machen, aber mein Herz geh ö rt der Harbour Bridge. Sie ist nicht so feierlich, aber weit dominanter - man sieht sie aus allen Winkeln der Stadt, aus den schr ä gsten Richtungen schiebt sie sich ins Bild wie ein Onkel, der auf jedem Foto drauf sein will. Aus der Entfernung h ä lt sie sich galant zur ü ck, ist majest ä tisch, doch nicht aufdringlich, aber von nahem ist sie pure Macht. Sie erhebt sich hoch vor einem - man k ö nnte ein zehnst ö ckiges Hochhaus darunter herschieben - und sieht aus, als gebe es nichts Schwereres auf Erden. Alles an ihr, die Steinbl ö cke der vier Pfeiler, das Gitterwerk der Tr ä ger, die Stahlplatten, die sechs Millionen Nieten (mit Kn ö pfen wie Apfelh ä lften), ist das gr öß te seiner Art. Diese Br ü cke ist von Leuten erbaut worden, die Berge von Kohle und Hoch ö fen gehabt haben, in denen man ein Schlachtschiff schmelzen konnte. Allein der Br ü ckenbogen wiegt drei ß igtausend Tonnen. Es ist ein prachtvolles Bauwerk.
Von einem Ende zum anderen misst sie f ü nfhundertunddrei Meter. Das erw ä hne ich nicht nur, weil ich jeden davon gelaufen bin, sondern weil der Zahl auch etwas Bitteres anhaftet. Als die B ü rger der Stadt 1923 beschlossen, eine Br ü cke ü ber den Hafen zu bauen, sollte das nicht irgendeine sein, sondern die l ä ngste Einbogenspann- br ü cke, die je errichtet worden war. F ü r ein junges Land war das ein k ü hnes Unterfangen und dauerte l ä nger als erwartet, fast zehn Jahre. Doch kurz bevor sie 1932 fertig gestellt war, wurde die Bayonne Bridge in New York ohne gro ß es Trara er ö ffnet und war - 63,6 Zentimeter (gleich 0,121 Prozent) l ä nger. Dies trug nat ü rlich nicht besonders zur St ä rkung des australischen Selbstbewusstseins bei.
Nach meinem langen Flug wollte ich meine Glieder unbedingt ein bisschen strecken, deshalb ü berquerte ich die Br ü cke nach Kirribilli und st ü rzte mich in die gem ü tlichen alten Winkel am flacheren Nordufer. Eine wundervolle Gegend. Ich ging durch die kleine Bucht, in der sich einer meiner Helden, der Flieger Charles Kingsford Smith (mehr ü ber ihn sp ä ter), wider alles Erwarten im Flugzeug in die L ü fte erhob. Dann f ü hrte mich mein Weg in die schattigen H ü gel dar ü ber, durch stille Viertel mit behaglichen kleinen H ä uschen, die unter bl ü henden Jacaranda- b ä umen und duftenden Frangipanib ü schen verschwanden (und in deren G ä rten ausnahmslos trampolingro ß e Spinnennetze mit der Sorte Spinnen in der Mitte hingen, bei denen ein tapferer Mann nach Luft schnappt). Immer wieder erwischte man einen Blick auf den blauen Hafen - ü ber eine Gartenmauer, am Fu ß einer abfallenden Stra ß e, zwischen zwei nah beieinander stehenden H ä usern wie auf ein Tuch, das zum Trocknen aufgeh ä ngt ist -, und es war genau deshalb so sch ö n, weil es so ü berwachsen und verwunschen war. Sydney hat ganze Stadtteile voller Villen, die nur aus Balkonen und Riesenfenstern zu bestehen scheinen und in denen kaum ein Blatt die knallende Sonne abh ä lt oder den Blick st ö rt. Aber hier am Nordstrand haben sie, klug und anst ä ndig, wie sie sind, die spektakul ä ren Panoramen dem k ü hlen Schatten von B ä umen geopfert, und alle Bewohner, das garantiere ich, kommen daf ü r in den Himmel.
Ich ging kilometerweit durch
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