Frühstück mit Kängurus
einen entscheidenden Fehler: Er hielt die nasse Jahreszeit in Australien f ü r die trockene und schloss daraus, dass das Land fruchtbarer war, als es tats ä chlich der Fall war.
Dieses Missverst ä ndnis spielte eine entscheidende Rolle, als England seine amerikanischen Kolonien verlor, zu der Auffassung gelangte, es brauche ein neues Gebiet, in das es seine weniger erw ü nschten Untertanen schicken konnte, und daf ü r Australien auserkor. Wahrhaftig, ohne das Land noch einmal zu erkunden! Als Captain Arthur Phillip im Mai 1797 an der Spitze einer Flotte von elf Schiffen - von der Nachwelt ehrf ü rchtig » Erste Flotte « genannt - in Portsmouth die Segel hisste, schickten er und seine etwa eintausendf ü nfhundert Leute sich an, eine Kolonie in einem gro ß en, weit entfernten, eigentlich ja unbekannten Land zu gr ü nden, das siebzehn Jahre vorher nur einmal besucht worden war und seitdem keine europ ä ischen Gesichter zu sehen bekommen hatte.
Niemals zuvor waren so viele Menschen eine so große Strecke zu solchen Kosten befördert worden - und alles nur, damit sie dort eingekerkert werden konnten. Nach modernen Maßstäben (nein, nach allen) waren ihre Strafen haarsträubend überzogen, denn Großbritannien versuchte weniger, einen Haufen gemeingefährlicher Verbrecher loszuwerden, als vielmehr seine Unterklasse auszudünnen. Die meisten waren Kleinkriminelle und wurden ans Ende der Welt verfrachtet, weil sie Bagatellen gestohlen hatten. Ein berühmtes glückloses Würstchen war beim Klauen von zwölf Gurkenpflanzen erwischt worden, ein anderes hatte unklugerweise ein Buch mit dem Titel Umfassender Bericht des Blühenden Staates auf der Insel Tobago mitgehen lassen. Die meisten Delikte waren Verzweiflungstaten beziehungsweise die Delinquenten kleinen Versuchungen erlegen. Im Allgemeinen betrug die Deportationsstrafe sieben Jahre, aber da keinerlei Vorkehrungen für die Rückfahrt getroffen wurden und auch nur die wenigsten hoffen konnten, das nötige Geld zusammenzusparen, bedeutete der Trip nach Australien de facto lebenslänglich. Es war ein ungnädiges Zeitalter: Ende des achtzehnten Jahrhunderts kannte das geltende Recht in Großbritannien eine Unzahl von Kapitalverbrechen; man konnte für zweihundert verschiedene Vergehen gehängt werden, einschließlich dessen - man höre und staune! -, »einen Ägypter darzustellen«. Unter diesen Umständen war die Deportation noch eine gnädige Alternative.
Die Fahrt der ersten Flotte von Portsmouth dauerte zweihundertzweiundfünfzig Tage, das heißt acht Monate, und ging über fünfzehntausend Meilen offener See. (Streng genommen war das mehr als notwendig, aber man überquerte den Atlantik einmal hin und einmal her, um günstige Winde zu erwischen.) In Botany Bay angekommen, stellten die Neuankömmlinge fest, dass sie sich nicht ganz an dem lieblichen Zufluchtsort befanden, den man ihnen vorgegaukelt hatte. Seine exponierte Position machte ihn zu einem gefährlichen Ankerplatz, und Erkundungstrips an Land erbrachten nichts als Sandfliegen und Sumpf. »Von den natürlichen Weiden um Botany Bay, die Mr. Cook erwähnt, können wir nicht berichten«, schrieb ein verdutztes Mitglied der Gruppe. Bei Cook hatte die Stelle ja fast wie ein englischer Landsitz geklungen, wo man ein wenig Krocket spielen und ein Picknick auf dem Rasen veranstalten konnte; Cook hatte sie eindeutig zu einer anderen Jahreszeit gesehen.
Als die Leute noch dastanden und ihre unselige Situation überdachten, ereignete sich einer der Zufälle, an denen die australische Geschichte so reich ist. Am östlichen Horizont erschienen zwei Schiffe und gesellten sich in der Bucht zu ihnen. Sie waren unter dem Kommando eines galanten Franzosen, eines Grafen Jean-Fran^is de la Perouse, der eine Zwei-Jahres-Expedition im Pazifik leitete. Wäre La Perouse einen Tick schneller gewesen, hätte er Australien für Frankreich in Besitz nehmen können und dem Land zweihundert Jahre englische Kochkunst erspart. Stattdessen akzeptierte er seine unglückliche Ankunft mit der für dieses Zeitalter typischen Grandezza. Seine Miene, als er vernahm, dass Phillip und seine Mannschaft gerade fünfzehntausend Meilen gesegelt waren, um ein Gefängnis für Leute einzurichten, die Spitze und Zierbänder, ein paar Gurkenpflanzen und ein Buch über Tobago gestohlen hatten, muss einer der großen Anblicke der Weltgeschichte gewesen sein, aber leider, leider ist uns davon keine Aufnahme überliefert. Nach einer gemütlichen
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