Frühstück mit Kängurus
beherrschen. So geht das endlos und ist unglaublich reizvoll.
An meinem letzten Tag wanderte ich nach Hunter's Hill, einem idyllischen, versteckten Viertel etwa sechs Meilen vom Stadtzentrum entfernt auf einer langen Landzunge, die auf die ruhigeren inneren Bereiche des Hafens hinausschaut. Jan Morris hatte es als wundersch ö n beschrieben. Ich bin ü berzeugt, sie ist auf dem Wasserwege dorthin gelangt wie jeder vern ü nftige Mensch. Ich dagegen lief ü ber die Victoria Road dorthin, die vielleicht nicht h ä sslichste, aber doch unangenehmste Flaniermeile Australiens.
Kilometerlang tigerte ich durch schattenlose Gegenden mit Fabriken, Lagerschuppen und Eisenbahnschienen, dann wieder kilometerlang durch m äß ig interessante Gesch ä ftsviertel mit Discount-M ö bell ä den, Gro ß h ä ndlern und schmuddeligen Kneipen, die surrealistisch wenig verlockende Reize boten wie zum Beispiel eine » FleischTombola von achtzehn bis zwanzig Uhr « . Als ich endlich Hunter's Hill erreichte, waren meine Erwartungen auf dem Nullpunkt. Doch Hunter's Hill war jeden qualmenden Schritt wert - ein h ü bscher, versteckter Bezirk mit ansehnlichen Steinvillen, reizenden Cottages und malerischen L ä dchen von oft beeindruckender Altehrw ü rdigkeit. Es gab ein kleines, aber wundersch ö nes Rathaus von 1860 und eine Drogerie, die seit 1890 im Gesch ä ft war, was ein Rekord in Australien sein muss. Jeder Garten war ein Schmuckst ü ck, und im Hintergrund hatte man st ä ndig einen Blick auf ein St ü ckchen Hafen. Ich war hingerissen.
Da ich nicht denselben Weg zur ü ckgehen wollte, beschloss ich, durch Linley Point, Lane Cove, Northwood, Greenwich und Woltstonecraft zu laufen und mich an der Harbour Bridge der bekannten Welt wieder zuzugesellen. Es war ein langer Spaziergang und der Tag schw ü l, doch Sydney hatte so viele lohnenswerte Viertel, und ich wurde k ü hn. Ich war ungef ä hr eine Stunde gelaufen, als mir schwante, dass mein Vorhaben reichlich k ü hn war - ich war ja kaum durch Linley Point und immer noch meilenweit vom Hauptgesch ä ftszentrum entfernt. Da erblickte ich auf der Karte eine Abk ü rzung durch den Tennyson Park. Sehr verlockend.
Ein Holzschild wies den Park als gesch ü tztes Buschland aus und bat Besucher h ö flich, die Wege nicht zu verlassen. Na, das war eine herrliche Vorstellung - ein St ü ck urw ü chsiger Busch im Zentrum einer Metropole! Eifrig schritt ich f ü rbass. Ich wei ß nicht, welches Bild das Wort » Busch « in Ihrem Kopf heraufbeschw ö rt, doch ich befand mich bald nicht wie erwartet in braunem, unfruchtbarem Gel ä nde, sondern in einem lichten Hain mit sonnenbesprenkeltem Pfad und raunendem B ä chlein. Offenbar ging hier selten jemand her - alle paar Meter musste ich mich unter Spinnweben, die sich ü ber den Weg spannten, durchducken oder darum herumlaufen. Was dem ganzen Unterfangen etwas von gl ü cklichen Entdeckerfreuden verlieh.
In der Annahme, der Gang durch den Park - oder das » Reservat « , wie die Australier solche Anlagen nennen - werde nicht l ä nger als zwanzig Minuten dauern, hatte ich etwa die H ä lfte des Weges zur ü ckgelegt, als aus einer nicht n ä her bestimmbaren Entfernung zu meiner Rechten das vorsichtige, probeweise Bellen eines Hundes ert ö nte, als wolle es sagen:
» Wer ist denn das? « Es klang nicht sehr nahe und auch nicht sehr Furcht einfl öß end, aber es war eindeutig das Bellen eines gro ß en Hundes. Etwas in seinem Timbre sagte: Fleischfresser, schwarz, kr ä ftig, nicht zu viele Generationen weit weg vom Wolf. Beinahe im gleichen Moment stimmte ein Gef ä hrte ein, auch gro ß , und dieses Bellen hatte entschieden weniger Versuchscharakter. Es hie ß : » Alarmstufe eins! Eindringling auf unserem Territorium! « Binnen einer Minute steigerten die beiden Tiere sich in eine betr ä chtliche Aufregung.
Nerv ö s beschleunigte ich meine Schritte. Hunde m ö gen mich nicht. Es ist ein einfaches Gesetz des Universums, wie das der Schwerkraft. Ich ü bertreibe nicht, wenn ich sage, dass ich noch nie an einem K ö ter vorbeigegangen bin, ohne dass der reagierte, als wollte ich mich an seinem Chappi vergreifen. Bellos, die sich seit Jahren nicht vom Sofa bewegt haben, erheben sich wutentbrannt, kaum dass sie auch nur den leisesten Hauch von mir, der ich vor ihrem Haus vorbeischleiche, erschn ü ffelt haben, und werfen sich gegen die geschlossenen Fenster. Ich habe erlebt, wie winzige T ö len, nicht gr öß er als ein flauschiger
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