Frühstück mit Kängurus
ä dte Australiens und eine der bedeutendsten, am Rei ß brett entworfenen, auf Erden ist, bleibt sie doch die gro ß e Unbekannte. F ü r eine Hauptstadt ist sie immer noch schwer erreichbar. Sie liegt vierzig Meilen vom Hume Highway entfernt, der Hauptverbindungsstra ß e von Sydney nach Melbourne, und wird von den wichtigen Eisenbahnstrecken ä hnlich links liegen gelassen. Die Hauptausfallstra ß e nach S ü den f ü hrt eigentlich nirgendwo richtig hin, und von Westen her kann man die Stadt nur auf einer Lehmpiste von dem kleinen Ort Tumut aus erreichen.
1996 sorgte Premierminister John Howard f ü r Unruhe, weil er sich nach seiner Wahl weigerte, in Canberra zu wohnen. Er werde in Sydney bleiben und nur nach Ma ß gabe seiner Pflichten in die Hauptstadt fahren, verk ü ndete er. Sie k ö nnen sich ja vorstellen, wie entr ü stet die B ü rger Canberras waren (aber vermutlich nur, weil sie selbst noch nicht auf die Idee gekommen waren). Das Ganze erhielt noch dadurch einen besonderen Pfiff, dass John Howard der bei weitem langweiligste Mann Australiens ist. Stellen sie sich einen sehr engagierten Bestattungsunternehmer vor, der sich, seit er elf Jahre alt ist, nichts sehnlicher w ü nscht, als Bestattungsunternehmer zu werden, und dessen stolzeste Leistung als Erwachsener es ist, zum Vorsitzenden des Queanbeyan and District- Bestattungsunternehmerverbandes gew ä hlt zu werden. Dann halbieren Sie seine Pers ö nlichkeit und halbieren Sie sie noch einmal, und dann haben Sie John Howard, wie er leibt und lebt. Wenn ein so farbloser Mann wie er ü ber eine Stadt die Nase r ü mpft, dann wissen Sie, es muss sich lohnen, da mal einen Blick drauf zu werfen. Ich zitterte vor Ungeduld.
Man nähert sich Canberra durch Wälder und Auen über eine zweispurige Landstraße, die sich allmählich in einen etwas städtischeren, aber immer noch baumgesäumten Boulevard verwandelt, kommt schließlich in einem Gebiet weit auseinander gelegener, aber wichtig aussehender Gebäude an und begreift, dass man da ist. Jedenfalls so nahe, wie man einer Stadt kommen kann, die derart verstreut und schwer zu fassen ist wie Canberra. Das heißt, es ist überhaupt keine richtige Stadt, sondern ein extrem großer Park mit einer darin verborgenen Stadt, viel Rasen und Bäumen und Hecken und einem riesigen künstlichen See, alles sehr hübsch, wenn auch ein wenig unerwartet.
Ich nahm mir ein Zimmer im Hotel Rex, einzig und allein aus dem Grund, weil ich zufällig darauf stieß und noch nie in einem Hotel übernachtet hatte, das nach einem Schäferhund benannt worden war. Es war dann auch genau das, was man von einer Betonburg mit dem Namen Rex erwartet. Aber das machte mir nichts. Ich wollte mir sowieso erst mal die Beine vertreten und in den weiten grünen Anlagen herumtollen. Ich checkte ein, stellte mein Gepäck ab und ging sofort wieder hinaus. Auf dem Herweg war ich an einem Besucherzentrum vorbeigekommen, und da es meiner Erinnerung nach nur ein kurzer Spaziergang bis dorthin war, wollte ich dort beginnen. Es stellte sich als langer Spaziergang heraus - als sehr langer. Wie alle Wege in Canberra.
Man wollte auch schon schließen, als ich dort anlangte. Dabei war es eh nur eine Verteilerstelle für Prospekte und Broschüren von Touristenattraktionen und Unterkunftsmöglichkeiten. In einem Nebenraum befand sich eine kleine Leinwand, auf der eines dieser verzweifelt munteren Werbefilmchen wie Canberra - Alles, was das Herz begehrt! gezeigt wurde. Man prahlte damit, dass man hier alles machen kann: Wasserski laufen und ein Abendkleid kaufen und eine Pizza essen, weil diese Stadt - na ja, eben alles hat, was das Herz begehrt! Sie wissen schon, welche Filme ich meine. Diesen hier schaute ich mir allerdings gern an, weil der Raum eine Klimaanlage hatte und es angenehm war, nach dem langen Laufen dort zu sitzen.
Aber gut, dass ich weder ein Abendkleid brauchte noch eine Pizza essen, noch Wasserski laufen wollte, denn als ich wieder unterwegs war, konnte ich nichts dergleichen finden. Wenn Sie jemals nach Canberra fahren, rate ich Ihnen, Ihr Hotel niemals ohne einen ordentlichen Stadtplan zu verlassen, einen Kompass, Proviant für mehrere Tage und ein Handy mit der Nummer eines Rettungsdienstes. Ich lief zwei Stunden durch hübsche grüne, endlos identische Stadtviertel, und konnte mir nie ganz sicher sein, ob ich nicht doch nur einen großen Kreis beschrieb. Von Zeit zu Zeit kam ich an einen baumbestandenen Kreisverkehr, von dem aus die
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