Frühstück mit Kängurus
vor eine S ä ule, und in einer Minute bringen wir Ihnen einen gro ß en Korb mit nur einem Br ö tchen. Guten Appetit! «
Ich blieb nur einen fl ü chtigen Moment lang am Eingang des Rex stehen und ging dann wieder auf die Stra ß e. Ein paar hundert Meter weiter an einem imposanten, doch kaum befahrenen Boulevard, der haupts ä chlich von dunklen, in den dichten B ä umen verborgenen B ü rogeb ä uden ges ä umt war, traf ich auf ein Hotel, nicht un ä hnlich dem Rex. Es hatte ein italienisches Restaurant mit eigenem Eingang. Da ich vermutlich nichts Besseres finden w ü rde, ging ich hinein und sah zu meiner Ü berraschung, dass es voller festlich gekleideter Einheimischer war. Etwas an ihrem vertrauten Umgang mit den Obern und der Umgebung allgemein verriet eine mehr als oberfl ä chliche Beziehung zu der Lokalit ä t. Wenn Einheimische im Restaurant eines Glas-/Beton-Hotelklotzes essen, wei ß man, dass diese Stadt arge Defizite hat.
Der Ober nahm alle anderen Tischgedecke weg, brachte mir aber sechs Grissini, sodass ich abgeben konnte, falls ich neue Freunde fand. Es herrschte eine ausgelassene Atmosphäre, um mich herum floss der Alkohol in Strömen - die Australier trinken gern mal einen Schluck, das gefällt mir -, und das Essen schmeckte hervorragend. Trotzdem saß man in einem Hotel. Durchaus üblich in Canberra, entdeckte ich im Laufe der nächsten beiden Tage: Man isst und trinkt in großen, charakterlosen Hotels und anderen neutralen Gebäuden, in denen man sich wie bei einem langen Zwischenaufenthalt in einem extrem weitläufigen internationalen Flughafen fühlt.
Abgefüllt mit Nudeln, drei Flaschen italienischem Bier und allen sechs Grissini (ich fand keinen neuen Freund), begab ich mich wieder auf Erkundungstour, diesmal in entgegengesetzter Richtung, denn irgendwo in Canberra musste es doch eine normale Kneipe geben und vielleicht auch ein gemütliches Lokal für den nächsten Abend. Doch ich entdeckte nichts und landete schließlich wieder auf der Schwelle des Rex. Ein Blick auf die Uhr zeigte: Es war erst halb zehn. Ich schlenderte in die Cocktail-Bar, bestellte mir ein Bier und nahm in einem tiefen Sessel Platz. Die Bar war leer bis auf drei immer lauter und lustiger werdende Männer und eine Dame an einem Tisch und einem einsamen Herrn am Tresen, der vor einem Whiskyglas hockte.
Ich trank mein Bier, zog Stift und kleines Notizbuch heraus und legte sie vor mich auf den Tisch für den Fall, dass ich plötzlich eine wichtige Beobachtung machte. Daneben legte ich ein Buch, das ich in einem modernen Antiquariat in Sydney gekauft hatte. Es hieß Inside Australia, war im Jahre 1972 erschienen und von dem amerikanischen Journalisten John Günther, dessen Name in den Annalen des Reisejournalismus einst hoch oben stand, nun aber, fürchte ich, weitgehend vergessen ist. Es war sein letztes Buch, na ja, musste es ja wohl sein, denn er starb, während er es fertig stellte, der arme Mann.
Neugierig, was er über Canberra in damaliger Zeit zu sagen hatte, schlug ich es auf. Er beschreibt es als kleine Stadt mit einhundertunddreißigtausend Einwohnern und der »beschaulichen Atmosphäre eines Landfleckens« mit wenigen Verkehrsampeln, kaum Nachtleben, einer bescheidenen Anzahl Cocktail-Bars und etwa »einem halben Dutzend guter« Restaurants. Oh, da hatte es sich seit 1972 offenbar zurückentwickelt. Das Rex wurde als schicke Adresse erwähnt, was mich mit Stolz erfüllte. Es ist doch immer nett, wenn die eigene Wahl bestätigt wird, auch wenn sie dreißig Jahre zu spät kommt. Die Cocktail-Bar wurde als eine der bestbesuchten der Stadt beurteilt. Als ich allerdings von dem Buch aufschaute, dachte ich mit Schrecken, dass sie das möglicherweise immer noch war.
Schließlich machte ich mich an das Kapitel über australische Politik - um dessentwillen ich das Buch ja überhaupt gekauft hatte. Denn außer dem Torezählen im Australian Rules Football und dem Reiz einer allenthalben geschätzten Speise namens pie floater (denken Sie an etwas unappetitlich Braunes - eine Pastete -, das auf etwas unappetitlich Grünem - Erbsensuppe - schwimmt, und Sie haben es mehr oder weniger) gibt es für einen Außenstehenden in Australien nichts Komplizierteres und Verwirrenderes als die Politik. Ein-, zweimal hatte ich versucht, Bücher über diese Thematik von australischen Autoren durchzuackern, die freilich alle von der überraschenden Prämisse ausgingen, dass sie interessant ist - ein kühner Standpunkt, gewiss, aber
Weitere Kostenlose Bücher