Frühstück mit Kängurus
schludrig von ihnen war. Wenn das so weiterging, waren bald s ä mtliche Ger ä tschaften verschwunden, und sie w ü rden Feierabend machen m ü ssen.
Vielleicht wollten sie ja auch genau das, dachte ich und machte den Fernseher aus.
Am n ä chsten Morgen g ö nnte ich mir ein ausgiebiges Fr ü hst ü ck, um mich f ü r eine weitere lange Tagesfahrt zu st ä rken. Das Fr ü hst ü ck ist nat ü rlich in unserer westlichen Welt eine barbarische Angelegenheit (wenn Sie nicht der Meinung sind, dann nennen Sie mir doch bitte sch ö n eine andere Situation - irgendeine -, in der Sie mit Gusto einen Embryo verspeisen w ü rden), und die Australier mischen an vorderster Front mit. Das liegt weitgehend an ihrem Schinken. Der ist von Meisterhand, sage ich Ihnen. Im Gegensatz zu den sich kringelnden Schuhlaschen, die man in Gro ß britannien verzehrt, oder den langweilig knusprigen Nullachtf ü nfzehnstreifen, die wir in Amerika lieben, ist australischer Schinken fleischig, rau, aber herzhaft und grundehrlich. Er sieht aus, als sei er von dem Schwein abgeschnitten worden, w ä hrend es zu fl ü chten versuchte. Bei jedem Bissen h ö rt man fast das Quietschen. K ö stlich. Au ß erdem schneiden die Australier die Toastscheiben dick. Kurzum, beim Fr ü hst ü ck m ö gen sie keine halben Sachen.
Strotzend vor Zufriedenheit und Cholesterin, fuhr ich zurück auf die einsame Straße. Unglaublich, hinter Hay war die Landschaft noch ebener, brauner, leerer und monotoner. Die kolossale Leere Australiens ist nicht leicht zu beschreiben. Das Land ist das bei weitem am dünnsten besiedelte der Welt. In Großbritannien beträgt die durchschnittliche Bevölkerungsdichte sechshundertzweiunddreißig Menschen pro Quadratmeile; in den Vereinigten Staaten sechsundsiebzig; auf dem gesamten Erdenrund einhundertundsiebzehn. (Und wen es interessiert: In Macau, dem Rekordhalter, sind es kusche- lige neunundsechzigtausend Mitbürger pro Quadratmeile.) In Australien jedoch ganze sechs! Und selbst diese bescheidene Zahl gibt die Sachlage nicht richtig wieder, denn fast alle Australier leben an ein paar eng benachbarten Stellen an der Küste und kümmern sich nicht um den Rest des Landes. Ja, der Anteil der Menschen, die in städtischen Zentren leben, ist mit sechsundachtzig Prozent ungefähr so hoch wie in Holland und fast so hoch wie in Hongkong. Wenn Sie im Landesinnern sechs Leute finden, die eine Quadratmeile belegen, ist es entweder ein Familientreffen oder eine Planungssitzung der Aum-Sekte.
Von Zeit zu Zeit kam ich durch lange Strecken mit Malleegebüsch, niedrigem Gestrüpp, das gerade so buschig und hoch ist, dass es einem stets die Sicht versperrt, aber manchmal erspähte ich auf offener Ebene eine leuchtend grüne Linie unter dem rechten Horizont, wahrscheinlich eine bewässerte Zone am Murrumbidgee. Sonst gab es nichts als harte Erde, von der sich mühsam ein wenig trockenes Gras und ab und zu eine dornige Akazie oder ein gebeugter Eukalyptusbaum ernährten.
So war es nicht immer. Obwohl das Innere Australiens nie vor saftigem Gr ü n strotzte, erlebten doch gro ß e Teile des Randgebietes einst Perioden relativ ü ppigen Pflanzenwuchses, die bisweilen Jahre, manchmal sogar Jahrzehnte andauerten; die Pflanzen besa ß en au ß erdem eine nat ü rliche Unverw ü stlichkeit, die es ihnen erlaubte, nach D ü rreperioden bei Regen sofort wieder zu sprie ß en. Aber dann beging Thomas Austin, ein Landbesitzer in Winchelsea, Victoria, ein wenig s ü dlich von dort, wo ich nun war, im Jahre 1859 einen gro ß en Fehler. Er importierte vierundzwanzig Wildkaninchen aus England und entlie ß sie in den Busch. Er wollte sie jagen. Nun ist die Tatsache, dass Kaninchen sich mit einem gewissen Ungest ü m vermehren, nichts Neues. Binnen weniger Jahre hatten sie dann auch Austins Land komplett in Besitz genommen und schickten sich an, die Nachbarbezirke zu erobern. Da nach f ü nfzig Millionen Jahren Isolation Australien bar aller Raubtiere und Parasiten war, die Kaninchen h ä tten erkennen, geschweige denn, sich von ihnen ern ä hren k ö nnen, vermehrten sie sich - wie die Karnickel.
Und entwickelten einen schier uners ä ttlichen Appetit. 1880 waren zwei Millionen Morgen Land im Bundesstaat Victoria ratzeputz kahl gefressen. Mit einer Geschwindigkeit von f ü nfundsiebzig Meilen pro Jahr erst ü rmten sie South Australia und New South Wales. Bis zur Ankunft der kleinen Nager war
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