Frühstück mit Kängurus
schickte sie mir einen langen, wunderbar ausführlichen Brief, den sie auf ihrer altersschwachen, störrischen Schreibmaschine herunterhämmerte. Um ihn zu lesen, brauchte ich selten weniger als eine Stunde. Auf einer einzigen Seite befasste sie sich mit einer Unmenge von Themen - ihrer Kindheit in Adelaide, den Unzulänglichkeiten gewisser Politiker (nein, der meisten Politiker), der Frage, warum die Australier kein Selbstbewusstsein haben, oder dem munteren Treiben ihrer, Catherines, Sprösslinge. Meistens schickte sie auch noch einen Packen Ausschnitte aus der Melbourner Zeitung Age mit. Das meiste, was ich von Australien weiß, weiß ich von ihr.
Ich liebte ihre Briefe. Sie kamen von so weit her - schon, wenn ich den Umschlag aus Australien sah, kam mir das wie ein kleines Wunder vor - und erzählten von Geschehnissen und Erlebnissen, die für Catherine ganz normal waren, für mich aber atemberaubend exotisch: mit der Straßenbahn in die Innenstadt Melbournes zu fahren, im Dezember unter einer Hitzewelle zu leiden, einem Vortrag am Königlichen Institut in Melbourne beizuwohnen, Gardinen bei David Jones, dem großen Kaufhaus in der Stadt, auszusuchen. Ich kann es nicht erklären, ich kann nur sagen, dass ich nichts von dem Leben, das ich führte, aufgeben wollte, mir aber sehnlichst wünschte, das alles noch dazu zu haben. Vor allem wegen ihrer Briefe wuchs mein Interesse für Australien immer mehr.
Sie waren immer munter, doch der letzte, den ich bekam, war besonders fr ö hlich. Sie und John, ihr Mann, wollten das Haus in St. Kilda verkaufen und auf die Mornington Peninsula s ü dlich von Melbourne ziehen, dort am Meer ein gepflegtes Rentnerdasein beginnen und damit einen uralten Traum verwirklichen. Doch pl ö tzlich erlitt sie zum Entsetzen aller, die sie kannten, einen Herzschlag und starb. Sonst h ä tte ich sie jetzt besucht. Stattdessen kann ich Ihnen von den vielen Geschichten, die sie mir erz ä hlt hat, nur die anbieten, die mir am besten gef ä llt.
In den F ü nfzigern zog eine Freundin Catherines mit ihrer noch jungen Familie in ein Haus neben einem unbebauten Grundst ü ck. Eines Tages kamen Bauarbeiter und begannen dort zu bauen. Catherines Freundin hatte eine dreij ä hrige Tochter, die sich nat ü rlich f ü r all den Betrieb nebenan lebhaft interessierte. In einem fort lungerte sie am Rande des Grundst ü cks herum, und die Bauarbeiter adoptierten sie schlie ß lich als eine Art Maskottchen. Sie redeten mit ihr, ü bertrugen ihr kleine Aufgaben und ü berreichten ihr am Wochenende eine kleine Lohnt ü te mit einer gl ä nzenden halben Krone.
Sie nahm sie mit nach Hause und zeigte sie ihrer Mutter, die, wie es sich geh ö rte, bewundernde Rufe ausstie ß und ihr vorschlug, dass sie zusammen das Geld am n ä chsten Morgen zur Bank bringen und auf ihr Konto einzahlen wollten. Der Kassierer in der Bank war nicht minder beeindruckt und fragte das kleine M ä dchen, woher sie denn die Lohnt ü te h ä tte.
» Ich habe in dieser Woche ein Haus gebaut « , erwiderte sie stolz.
» Meine G ü te! « , sagte der Kassierer. » Und baust du n ä chste Woche noch eins? «
» Klar, Mann, wenn wir bis dahin die Schei ß ziegelsteine kriegen « , antwortete das kleine M ä dchen.
Achtes Kapitel
Die Bewohner South Australias sind sehr stolz darauf, dass ihr Staat der einzige ist, in den nie Sträflinge deportiert worden sind. Was sie nicht so oft erwähnen, ist, dass er von einem Sträfling geplant wurde. Anfang der Dreißigerjahre des neunzehnten Jahrhunderts saß Edward Gibbon Wakefield, ein Mann von einigem Vermögen und unanständigen Neigungen, im Newgate-Gefängnis in London unter der Anklage, ein weibliches Kind zu schwitzigen, ruchlosen Zwecken entführt zu haben, und heckte die Idee aus, in Australien eine Kolonie freier Bürger zu gründen. Er wollte arbeitsamen, rechtschaffenen Leuten - Farmern und Kapitalisten - kleine Parzellen Land verkaufen und die erzielten Erlöse dazu verwenden, die Überfahrt für Menschen, die für sie arbeiten sollten, vorzufinanzieren. Die Arbeiter würden adelnde Beschäftigung finden, die Investoren Arbeitskräfte und Märkte gewinnen, und alle würden profitieren. In der Praxis funktionierte das Vorhaben nie sonderlich gut, aber heraus kamen eine neue Kolonie, South Australia, und eine wunderschön geplante Stadt, Adelaide.
W ä hrend Canberra ein Park ist, ist Adelaide voll von Parks. In Canberra hat man das Gef ü hl, man ist in einer immensen gr ü
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