Frühstück mit Kängurus
dergleichen. Melbournes ruhige, kultivierte Atmosphäre war viel eher europäisch als nordamerikanisch, und es regnete die ganze Woche. In Strömen. Was mich ungeheuer entzückte, weil es so absolut nicht das war, was ich erwartet hatte.
Mehr noch, und jetzt kommen wir zu dem entscheidenden Punkt, ich mochte Australien auf Anhieb, ohne Wenn und Aber, womit ich nie gerechnet hätte. Irgendetwas kam mir einfach entgegen. Wahrscheinlich spielte dabei eine Rolle, dass ich eine Hälfte meines Lebens in den Vereinigten Staaten und die andere in Großbritannien verbracht habe, und Australien eine so angenehme Mischung aus beiden ist. Seine Lockerheit und Lebendigkeit, seine Offenheit und Unbefangenheit mit Fremden, fühlten sich entschieden amerikanisch an, aber die Grundstruktur war britisch. Mit ihrem Optimismus und ihrer legeren Art hätten die Australier auf den ersten Blick als Amerikaner durchgehen können, doch sie fuhren auf der linken Seite, tranken Tee, spielten Cricket, schmückten ihre öffentlichen Plätze mit Statuen der Königin Victoria und kleideten ihre Kinder in die Art Schuluniform, die nur ein britannisches Volk ohne erkennbare Scham tragen kann. Ich fühlte mich pudelwohl.
Im Handumdrehen wurde mir allerdings deutlich und eigenartig angenehm bewusst, wie wenig ich das Land kannte. Ich wusste nicht, wie die Zeitungen, die Universitäten, die Strände oder Vororte hießen, wusste nichts von seiner Geschichte oder dem Privatleben seiner Bewohner, ich konnte einen Polizisten nicht von einem Postbeamten unterscheiden. Ich wusste nicht mal, wie man Kaffee bestellte. Offenbar musste man die Länge (im Prinzip lang oder kurz), eine Farbe (schwarz oder weiß) und sogar einen Orientierungswinkel (flach oder nicht flach) nennen und konnte das alles zu einer Vielzahl von Mutationen kombinieren - »langen Schwarzen«, »kurzen Schwarzen«, ja, sogar »langen, kurzen Schwarzen«. Mein Lieblingskaffee, fand ich nach vielen Stunden glücklichen Experimentierens heraus, war »flach weiß«. Es war ein Augenblick höchster Glückseligkeit.
Da meine Verpflichtungen bei dem Literaturfestival extrem gering waren - ein, zwei Bühnenauftritte und danach ein bisschen Auskehren -, hatte ich Zeit, durch die Stadt zu streifen, und das tat ich mit Hingabe und Begeisterung. Ich belauschte Gespräche, saß mit allen Morgenzeitungen und einem halben Dutzend Getränken (ich war noch in der Experimentierphase) in Cafes und verschlang beides, las Schilder und Plakate und Etikette in Schaufenstern, stellte Wildfremden Fragen wie »Entschuldigen Sie, was ist ein Jacky How? Was ist ein Hills Hoist? Was sind norks?« (Ein Unterhemd; eine Wäschespinnenmarke, auf die die Australier mysteriöserweise aber rührend stolz sind, und Slang für Brüste. Ich sah das Wort auf dem Titelblatt einer Zeitschrift und brachte mit meiner Frage einen Verkäufer zum Erröten. Aber wie sonst lernt man etwas?)
Ich liebte - liebe sie immer noch - australische Stimmen, den Rhythmus und die Melodie, die unangestrengt trockene und direkte Art, die Welt zu betrachten. Bei einem Empfang anlässlich der Verleihung eines eher unbedeutenden Preises - des Preises der Jungbauern von East Gippsland für einen Debütroman oder so ähnlich -, zu dem ich ging, weil ich mich derartig freute, überhaupt eine Einladung für etwas zu haben, und weil es Cocktails geben sollte, stand ich mit zwei Werbefrauen meines Verlages zusammen, als ein offensichtlich selbstverliebter Arsch hereingewedelt kam.
»Ach, schau, da ist Bruce Dazzling«, sagte die eine und dann mit cooler Verachtung, die die Sache perfekt auf den Punkt brachte: »Der würde auch zur Eröffnung eines Briefumschlages gehen.«
Jemand anderes erzählte mir die Geschichte eines seiner englischen Freunde, dem die Stewardess auf dem Flug nach Australien ein heißes Tuch reichte, das sich bei Anwendung als kalt erwies. Als er sie darauf aufmerksam machte - nicht, um sich zu beschweren, sondern nur, weil er dachte, sie wolle es vielleicht noch ein bisschen aufwärmen -, drehte sie sich zu ihm um, lächelte liebenswürdig und sagte mit einem winzigen Hauch Sarkasmus: »Warum setzen Sie sich nicht ein bisschen darauf? Dann wird es garantiert warm.«
Weil ich Melbourne als erstes kennen lernte, entwickelte ich eine gewisse Anhänglichkeit an diese Stadt. Ich finde es immer noch schrecklich aufregend, in Melbourne anzukommen - dass jemand so reagiert, hören Sie nicht oft, aber bei mir trifft es zu -, und als ich nun
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