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Frühstück mit Kängurus

Titel: Frühstück mit Kängurus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill - Bryson
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Programm für die Freitagabende, an denen mein Vater nicht da war. (Und das war häufig der Fall, weil er als Sportredakteur viel reisen musste.) Ich nahm einen Bus in die Innenstadt, wo wir uns trafen (sie arbeitete auch für die Lokalzeitung), in einem Selbstbedienungsrestaurant namens Bishop's zu Abend aßen und dann ins Kino gingen.
    Ich möchte nicht behaupten, dass meine Mutter das Vertrauen missbrauchte, das ich hinsichtlich der Auswahl des Films in sie setzte, aber es war doch schon beinahe unheimlich, dass die Filme, die ich gern gesehen hätte, immer gerade nicht mehr liefen und wir zum Schluss stets einen Streifen anschauten, in dem es um Mord, Leidenschaft und Verrat ging. Meist spielte Jeff Chandler, für den meine Mutter eine seltsame Bewunderung hegte, eine der Hauptrollen, die es in schöner Regelmäßigkeit erforderlich machten, dass er einen Großteil der Zeit barbrüstig verbrachte. »Oje«, sagte sie, als bedauere sie es zutiefst, »Zwanzigtausend Meilen unter dem Meer ist gerade abgelaufen. Aber im Orpheum gibt es den neuen Jeff-Chandler-Film Gezähmte Lust. Wollen wir uns den angucken?«
    Ich weiß nicht, ob diese Streifen im Laufe der Zeit in meiner Erinnerung alle zu einem einzigen verschmolzen sind oder ob sie wirklich alle gleich waren, zumindest die Zutaten schienen immer gleich zu sein: viel zu viel Gerede, jede Menge heiße Umarmungen mit Lana Turner oder einer anderen ultracoolen Blondine, ganz gelegentlich einmal Schüsse, in deren Folge Hände einen Bauch umklammerten, ausgiebig getaumelt wurde und enttäuschend wenig Blut floss, und Chandler, der, häufig nur mit einer Badehose bekleidet, auf einem Schnellboot oder Rettungsschwimmerpodest stehen musste. (Auch ohne auf die Leinwand zu schauen, wusste ich stets, welches die Badehosenszenen waren, denn meine Mutter begann gierig ihre Zitronendrops zu lutschen.) Wenn kein Film mit Chandler lief - und erstaunlicherweise vergingen manchmal Wochen, in denen das der Fall war -, mussten wir mit einem anderem vorlieb nehmen.
    Und so geschah es, dass wir, als ich etwa neun Jahre alt war, Der endlose Horizont sahen, ein Epos in Technicolor, in dem Robert Mitchum und Deborah Kerr ein liebenswert couragiertes, unerschütterliches Paar mimten, das sich im australischen Busch ein neues Leben aufbaute. Es war in vielerlei Hinsicht ein unvergesslicher Streifen, nicht zuletzt, weil Mitchum sich an einem Aussie-Akzent versuchte und weil die Handlung in Australien spielte, was für Hollywood-Maßstäbe geradezu einzigartig war.
    Fast vierzig Jahre danach erinnere ich mich kaum noch an Details, nur dass Mitchum und Kerr jede Minute ihres Daseins damit zubrachten, Heerscharen von Schafen zusammenzutreiben oder einer dort gängigen höchst inkommodierenden Todesgefahr nach der anderen zu trotzen - Buschfeuern, Staub stürmen, Dürren, Heuschreckenplagen und Kneipenschlägereien. Außerdem war es ganz offensichtlich in Australien sehr heiß: Mitchum redete nie, ohne zuerst einen staubigen Hut abzusetzen und sich mit dem Unterarm die Stirn abzuwischen. Da meine eigenen Lebenspläne selbst schon im zarten Alter von neun eher in die Richtung gingen, mit Jean Seberg im offenen Sportwagen durch Europa zu düsen, kam ich zu dem Schluss, dass alles in allem Australien total uninteressant war, und dachte die nächsten dreißig Jahre eigentlich nicht mehr an das Land.
    Als ich 1992 endlich meine erste Reise nach Down Under zum Melbourne Writers' Festival machte, staunte ich dann auch prompt, dass ich es überhaupt vorfand. Ich kann mich jedenfalls noch deutlich erinnern, dass ich in Melbourne in der Collins Street stand - so frisch eingetroffen, dass ich noch nach dem Insektengift roch (ja, glitzerte), mit dem die Flugbegleiter das Flugzeug vor der Landung eingesprüht hatten -, die klirrenden Straßenbahnen und das menschliche Treiben beobachtete und dachte: »Lieber Himmel, hier ist ja ein Land.«
    Mir war, als hätte ich persönlich Leben auf einem anderen Planeten entdeckt oder ein paralleles Universum, wo das Leben erkennbar ähnlich und doch vollkommen anders war.
    Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie aufregend es war. Insoweit ich mir während all der vergangenen Jahre überhaupt irgendwelche Vorstellungen über Australien gemacht hatte, hatte ich an eine Art Südkalifornien gedacht, ein Land, in dem immer die Sonne schien und man einem fröhlich unintellektuellen Strandleben frönte, mit einem britischen Touch - Baywatch mit Cricket. Ich fand nichts

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