Frühstück mit Kängurus
will, dann l ä sst sie sich durch nichts entmutigen. Schlagen Sie nach ihr, soviel Sie wollen, sie entfernt sich kurz aus Ihrer Reichweite und kommt dann zur ü ck. Es ist schier unm ö glich, sie daran zu hindern. Irgendwo auf dem freiliegenden Teil Ihres K ö rpers ist eine Stelle, ungef ä hr so gro ß wie ein Hemdknopf, an der die Fliege Sie lecken und kitzeln will. Aber nicht nur ihre Aufdringlichkeit ist einzigartig, sondern auch ihr Begehr. Eine australische Fliege versucht, die Feuchtigkeit von Ihren Aug ä pfeln zu saugen. Wenn Sie sie nicht st ä ndig wegscheuchen, st öß t sie in Bereiche Ihrer Ohren vor, von denen ein Wattest ä bchen nur tr ä umen kann. Sie stirbt gern f ü r die Herrlichkeit, mit einem winzigen Plumps auf Ihrer Zunge zu landen. Tanzen drei ß ig oder vierzig auf diese Weise um Sie herum, folgt der Wahnsinn auf dem Fu ß e.
Versunken in meine eigene kleine Summse-Schmerzenswolke, begab ich mich also in den Park, wedelte zunehmend hoffnungslos und halbherzig mit den H ä nden um meinen Kopf herum - man nennt es den Buschgru ß -, schnaubte st ä ndig Luft aus Mund und Nase, sch ü ttelte rasend vor Wut den Kopf und schlug mir gelegentlich mit erschreckender Gewalt auf Wange oder Stirn. Endlich gab ich auf, was die schwarzen Qu ä lgeister die ganze Zeit gewusst hatten, und sie fielen ü ber mich her wie ü ber einen Leichnam.
Irgendwann erreichten die Fliegen und ich das Ende des milit ä rischen Sperrgebiets und den Beginn des eigentlichen Parks. Dazwischen war ein beschilderter Pfad, der zu einer mittelgro ß en Erhebung namens Cheviot Hill f ü hrte. Den wollte ich besuchen, denn an der Cheviot Beach auf der anderen Seite nahm Harold Holt das Bad, f ü r das er kein Handtuch mehr brauchte. Durch neblige Haine mit niedrigen buschigen B ä umen folgte ich dem Pfad bergauf - durch Meerstrandsmilchkraut und Teeb ä ume, wie die hilfreichen, in Abst ä nden aufgestellten Schilder kundtaten. Auf dem Gipfel des H ü gels wehte eine so kr ä ftige, steife Brise, dass ich ins Taumeln geriet, als ich mich nicht fest genug dagegen stemmte, und hier endlich gaben mir die Fliegen eine klitzekleine Verschnaufpause. Das Gesicht voll im Wind stand ich da und kann gar nicht sagen, wie gl ü cklich ich dar ü ber war.
Der Blick vom Gipfel des Cheviot Hill soll einer der sch ö nsten an der K ü ste Victorias sein, doch daf ü r kann ich mich nicht verb ü rgen, weil ich fast nichts sah. Jenseits eines graugr ü nen Tals, etwa eine Meile entfernt, erhob sich bei Point Nepean ein weiterer, in tr ä ge Wolken geh ü llter H ü gel. Unter mir gestalteten sich die Dinge nicht weniger undurchdringlich. Ich war etwa f ü nfunddrei ß ig Meter direkt ü ber Cheviot Beach, doch ich hatte das Gef ü hl, als starrte ich in einen Suppenkessel. Durch die wabernden Wrasen ersp ä hte ich ein paar undeutliche Umrisse von Felsen und eine unbestimmt lange Sandfl ä che. Nur die Ger ä usche unsichtbarer Wellen, die auf unsichtbare Gestade schlugen, gaben mir die Gewissheit, dass ich das Meer gefunden hatte.
Trotzdem versp ü rte ich ein befriedigendes Prickeln, als ich endlich an dem Ort stand, an dem Harold Holt sein schicksalhaftes Bad genommen hatte. Ich versuchte mir die Szene in ihrem damaligen Ablauf vorzustellen, doch das war nicht leicht. An dem Tag, als Holt in die Brandung watete, war es windig, aber sch ö n. Es lief nicht gut f ü r ihn als Premierminister - seine Talente lagen wohl mehr darin, Babys zu k ü ssen und die Damenwelt ins Flattern zu versetzen (offenbar war er ein ganz scharfer Hengst), als Regierungsgesch ä fte zu erledigen-, und wir k ö nnen getrost annehmen, dass er froh war, f ü r die langen Weihnachtsferien aus Canberra heraus zu sein. Er hatte in Portsea ein Wochenendhaus, und um ihm ein wenig Privatheit zu gew ä hren, lie ß ihn die Armee auf ihrem Gebiet herumspazieren. Deshalb waren keine Rettungsschwimmer, keine Touristen und keine Sicherheitsleute dabei, als er am siebzehnten Dezember 1967 mit ein paar Freunden einen flotten Spaziergang zu den Felsen und dr ö hnenden Wellen unter mir unternahm. Obwohl das Meer unruhig war und die Flut gef ä hrlich hoch und obwohl Holt sechs Monate zuvor dort beim Schnorcheln mit ein paar Spezis schon einmal fast ertrunken w ä re, beschloss er eine Runde zu schwimmen. Bevor noch jemand reagieren konnte, hatte er sich das Hemd vom Leib gerissen und sich in die Brandung gest ü rzt. Er schwamm ein paar hundert Meter hinaus und verschwand,
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