Frühstück mit Kängurus
Sie, warum hier keiner sitzt?«
»Es war der Platz von meiner Frau«, antwortet der andere, einen Hauch wehmütig. »Aber leider ist sie gerade gestorben.«
»Ach, das ist ja schrecklich. Das tut mir aber Leid.«
»Ja, sie hat nie ein Spiel versäumt.«
»Aber hätten Sie denn die Karte nicht einem Freund oder einem Verwandten geben können?«
»Nein, nein. Die sind ja alle bei der Beerdigung.«
Ich war unterwegs zu meinem alten Freund Alan Howe, der zufällig auch der Mann ist, der mich mit den irrsinnigen Raffinessen des Australian Rules Football bekannt gemacht hat. Ich hatte Alan vor zwanzig Jahren kennen gelernt, als ich Redakteur im Wirtschaftsressort der Times in London und er ein Milchbubi vom anderen Ende der Welt war. Bei seinem Eintritt war ich schon ein paar Monate da, und er bekam in der Redaktion einen Platz neben mir. Ich will nicht sagen, Alan war damals entsetzlich jung, aber er trug seine Wölflingsuniform. Da wir beide aus den Kolonien stammten, nahm ich ihn unter meine Fittiche und brachte ihm alles bei, was ich wusste. Zugegeben, es waren nur drei Dinge: dass Lloyd's, die Versicherung, mit Apostroph geschrieben wurde und Lloyds, das Bankhaus, nicht, dass in dem Firmennamen Rio Tinto-Zinc der Bindestrich merkwürdig platziert und die Kantine im Untergeschoss war -, aber mehr musste man damals auch gar nicht wissen, wenn man im Wirtschaftsressort reüssieren wollte.
Alan lernte fix und überflügelte uns bald alle. Ich erinnere mich, dass ich mich eines Tages mit einem Kollegen darüber stritt, ob das »p/g« in »p/g-Verhältnis« für Penisgröße oder Parteigenosse stand, da erklärte Howe uns, dass es die Abkürzung für »Preis/Gewinn-Verhältnis« und das Standardmaß des Marktwerts einer Aktie sei, den man ermittelte, indem man den aktuellen Wert durch den Gewinn pro Aktie während der vergangenen zwölf Monate teilte. Ich wusste, der würde es weit bringen. Und ich muss sagen, er hat uns nicht enttäuscht. Nach seiner Zeit bei The Times kehrte er ruhmbekleckert nach Australien zurück, wo er ein aufsteigender Stern am Himmel Rupert Murdochs wurde und schließlich Anfang der Neunziger als Chefredakteur bei der Sunday Herald- Sun landete. Dieses beliebte Druckerzeugnis leitet er noch heute. Wenn ich daran denke, wie er damals im blauen Hemd und flottem Halstüchlein in der Redaktion der Times saß, schwillt mein altes Herz vor Stolz.
Er und seine Frau Carmel Egan, eine gütige, ruhige Seele, wohnen im Süden Melbournes in einem wunderschönen alten Haus, das früher einen Fleischerladen beherbergte. Ich kam zu spät, weil ich aus Versehen ein kleines Experiment veranstaltet hatte; ich wollte ausprobieren, ob man auch dann in Melbourne eine Adresse findet, wenn man den Stadtplan von Perth benutzt. Siehe da, es klappte. Carmel machte mir auf.
» Howie ist nicht da « , sagte sie und bat mich hinein. » Er ist laufen. «
» Laufen? « Ich versuchte, nicht zu erstaunt zu klingen, denn seit all den Jahren, die ich Howie kannte, war seine Vorstellung von einer ordentlichen Trainingseinheit, im Stehen zu trinken. Au ß erdem war er einer dieser rastlosen, hoch energetischen Menschen, die von Natur aus kein Fett ansetzen. Er musste so n ö tig laufen, wie ich h ö here Studiengeb ü hren f ü r meine Kinder zahlen.
» Wegen seines Herzens « , sagte Carmel.
Ich starrte sie an. » Er hat was am Herzen? «
» Nein, nat ü rlich nicht « , lachte sie. » Er hat sich nur gerade darauf versteift. «
Ich verstand sofort. Howe war seit eh und je einer der gro ß en Hypochonder der Menschheit. Seit Jahren kn ö pfte er sich ein Organ nach dem anderen vor, stets ü berzeugt, dass es ihn bald auf schmerzhafte, kostspielige Weise zum Kr ü ppel machen w ü rde. Ewig und drei Tage stellte er sich unauff ä llig in ein Eckchen, tastete sich nach mysteri ö sen Knoten ab und krempelte seinen Lebensstil um.
Carmel und ich setzten uns hin, tranken eine sch ö ne Tasse Tee zusammen, und ich erz ä hlte ihr herzige Geschichten ü ber ihren Mann aus l ä ngst vergangenen Londoner Zeiten, als sie ihn noch nicht kannte: Wie ich ihm beigebracht hatte, Seife zu benutzen und zusammengeh ö rige Socken zu tragen, oder ihm geholfen hatte, die richtige Behandlung zu finden, damit sich seine Hoden senkten - das Ü bliche. Und genau da st ü rmte der gro ß e Mann leibhaftig ins Haus, puterrot im Gesicht, atemlos und verschwitzt.
» He, Kumpel « , schaffte er hervorzusto ß en, als seien es seine letzten
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