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Fruehstueck mit Proust

Fruehstueck mit Proust

Titel: Fruehstueck mit Proust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frédérique Deghelt
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aber verändern? Sie hatte ihr Buch vor acht Monaten abgeschlossen, ihr war, als gehörte es ihr fast schon nicht mehr. Mamounes Anmerkungen hatten sie nicht gekränkt. Werd erwachsen und dämm die Flut ein, von der du dich allzu gern mitreißen lässt, hatte ihre Großmutter gesagt. Aber Phantasie hast du wirklich, Donnerwetter! Jade fand, dass Mamoune ein bisschen hexen konnte! Sie stammte vom Land und besaß das Wissen der Weisen, sie hatte sich die Magie der Bücher angeeignet, ohne sich die Augen daran zu verbrennen. Und sie hatte erkannt, was in den Wörtern auch an Unsichtbarem steckte. Sie war ihre gute Fee. Jade hatte geglaubt, sie zu retten, indem sie ihr das Pflegeheim ersparte, dabei war sie es, die Jade aus dem Meer von Traurigkeit herausfischte, in dem sie heillos versunken war. Mamounes Bemerkungen über ihren Roman halfen Jade zu verstehen, was sie auch nach wiederholtem Lesen nicht gesehen oder erkannt hatte und was sie in den Ablehnungsschreiben der Verleger nicht verstehen wollte oder konnte. Mamoune war aufgetaucht wie die gute Märchenfee, die unter ihren Lumpen die Prinzessin erkannte. Und nun reichte sie Jade Nadeln, Stoffe und Bänder, damit sie, was wie ein Ruf in ihr vibrierte, in eine schöne Form hüllte.

Mamoune
    J ade ist noch nicht nach Hause gekommen. Sie arbeitet in der Redaktion. Wenn ich in ihrer Wohnung allein bin, spüre ich meine Einsamkeit wieder, aber ich empfinde das als sehr heilsam. Ich möchte ihr junges Leben nicht belasten, und ihr Fortsein gibt mir die Gewissheit, dass sie ihren Alltag ganz normal weiterlebt. Sie ruft an, wenn sie sich verspätet, sie hält mich über ihren Zeitplan auf dem Laufenden, lässt aber immer einen Spielraum von ein oder zwei Stunden, so dass weder sie noch ich auf die andere warten müssen. Sie hat mir erzählt, dass sie in der Metro einen jungen Mann kennengelernt hat, und ich glaube, heute Abend ist sie mit ihm essen gegangen. Das hat sie mir so ganz nebenbei verraten, als sie sich umzog, als wäre es unwichtig, aber ich hörte die Freude in ihrer Stimme, einen Hauch von Aufregung, gemischt mit Angst. Wenn es nur nicht gefährlich für sie ist … Nein, sie ist zu klug für derartige Dummheiten.
     
    Sie kann kaum ermessen, was mir erspart geblieben ist dadurch, dass ich hier bei ihr leben kann. Sie ist eine junge Städterin. Sie weiß nicht, wie schäbig sich manche Leute auf dem Land verhalten. Alte Menschen, die allein oder in großer Abgeschiedenheit leben, werden von Angehörigen oder Nachbarn am Lebensende unter ihre Fittiche genommen. Unter dem Vorwand, sich um sie zu kümmern, sie zu bemuttern, stehlen sie ihnen heimlich ihren Schmuck und ihre Autonomie. Noch zu Lebzeitenräumen sie ihnen unbemerkt die Schubladen leer, um den Erben zuvorzukommen. Wie viele naive alte Frauen habe ich gesehen, denen der Gemeindepfarrer die nächstbeste Nachbarin empfahl, die sich dann in ihrem Haus einnistete, über den Mittagsschlaf der alten Dame wachte und derweil die Schränke inspizierte? Auch junge Menschen, plötzlich erfüllt von dem Bedürfnis, die Großmutter vor dem Ableben noch einmal zu sehen, um ihr vor der letzten Ölung noch die letzte Plünderung angedeihen zu lassen.
    Nach meinem ersten Schwächeanfall habe ich die Notbremse gezogen. Ob Angehörige oder Nachbarn, ich wollte nicht am eigenen Leib erleben, was mich bei den anderen so schockiert hatte. Jade ist nicht eigennützig, und sollte ich eines Tages hier entschlummern oder den Verstand bis auf den letzten klaren Funken verlieren, so bleibt mir diese Enttäuschung wenigstens erspart.
    Ich kann der Literatur gar nicht genug danken, dass sie mir erlaubte, über meine Verhältnisse zu leben, weil sie mir wie in einem Theater vorführte, was ich jeden Tag um mich herum sah. Diese kleinkarierten und geldgierigen Personen, die sich in unseren Dörfern wer weiß wie aufplustern. In den Büchern trat ihre Lüsternheit deutlich zutage. Wenn ich von meiner Lektüre aufsah, waren sie sofort da, unwahrscheinlich echt. Ich konnte ihnen einen anderen Namen geben, doch ihre Triebfedern waren die gleichen. Manchmal glichen die Worte sogar genau denen, die ich überall um mich hörte, nur enthüllten sie mir ganze Schicksale, und ich sah mein Dorf auf einmal mit anderen Augen. Nachdem mir diese Gnade widerfahren war, fragte ich mich nicht mehr, ob ich ein Recht auf Bücher hatte oder ob diese Geschichten denGebildeten vorbehalten waren, den Leuten aus der Stadt. Ich wusste, dass ich auf den

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