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Fruehstueck mit Proust

Fruehstueck mit Proust

Titel: Fruehstueck mit Proust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frédérique Deghelt
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zubereitete, dass die
churros
sich gut darin eintunken ließen. »Wenn ich nicht so viele gegessen hätte, wäre ich immer noch schlank wie eine Tänzerin, aber es gibt kein besseres Mittel, um wieder zu Kräften zu kommen«, versicherte sie ihnen. Mamoune sah der kleinen pummeligen Frau zu, wie sie ihre Süßigkeiten auf einem Teller anrichtete, und sagte sich, dass sie es oft nötig gehabt haben musste, wieder zu Kräften zu kommen. Jade beobachtete ihre Großmutter aus dem Augenwinkel. Sie sah sehr erschöpft aus, aber sie lächelte. Sie hatte ihr einen Riesenschreck eingejagt mit ihrem Schwächeanfall in der Badewanne. Sie war ganz blass gewesen, als sie sie aus dem Wasser gezogen hatte, und jetzt saß sie da wie eine brave Puppe auf dem Sofa und wirkte so zerbrechlich. Jade hatte ihr das weiße Haar geflochten, statt es zu einem Knoten hochzustecken. Diese Frisur gab ihr etwas Jugendliches. Mamoune warf einen vernaschten Blick auf die
churros
, und als die Nachbarin sich zurückzog, fragte Jade leicht spöttisch:
    »Na, sag mal, ich wusste ja gar nicht, dass du so versessen auf dieses süße spanische Zeug bist?«
    Ihre Großmutter sah lächelnd in die Ferne und antwortete, das sei eine Erinnerung an ihre Hochzeitsreise.»Ich bin nie irgendwo hingekommen, außer nach Spanien. Nach Andalusien. Da haben wir jeden Morgen diese
churros
gegessen, und nach unserer Rückkehr hatte ich mindestens drei Kilo zugenommen, die ich wieder verlor, indem ich die Berge hinaufkraxelte! Es war eine lange Reise mit dem Auto eines Freundes, das Vorderradantrieb hatte und noch aus der Zeit vor der Befreiung stammte. Die Reise war unser Hochzeitsgeschenk. Jean hatte kurz vorher seine Fahrprüfung bestanden.«
    »Und wie alt wart ihr da?«
    »Er vierundzwanzig und ich gerade volljährig. Da brauchte ich für unsere Hochzeit nicht mehr die Sondererlaubnis meiner Eltern, um die wir sie ein Jahr lang gebeten hatten. Wir liebten uns doch schon so lange! Mit zwanzig hält man fünf kurze Liebesjahre für eine Ewigkeit. Die ganze Familie machte sich große Sorgen, dass wir so weit wegfuhren, und das mit so wenig Fahrpraxis. Wir überquerten die Pyrenäen, das andere französische Gebirge, dessen Schönheit mir unbekannt war. Eigentlich wollten wir das Meer sehen, aber wir zogen es vor, erst bis nach Andalusien weiterzufahren, nachdem wir ein paar Tage verloren hatten, weil wir nach einer Panne das Auto in einem verlassenen Nest reparieren lassen mussten. Trotz einiger Turbulenzen war es eine schöne Reise.«
    In Mamounes klaren blauen Augen sah Jade einen Moment lang die junge Frau von damals. Ihr Blick schien anderen Erinnerungen zugewandt, die nicht durch das geheimnisvolle Lächeln drangen, das ihre blassen Lippen umspielte.
    »Ja«, sagte sie, indem sie sich wieder Jade zuwandte, »und nach unserer Rückkehr beschlossen wir, jedes Jahr zu verreisen, aber dann war ich schwanger mit Mariette.Danach kam Léa, dann Denise und dann dein Vater. Mit sechsundzwanzig hatte ich vier Kinder, und wir mussten arbeiten, um sie zu ernähren. Wir sind nie wieder fort gewesen.«
    Sie schwieg und runzelte die Stirn, dann sah sie ihre Enkelin an und lächelte.
    »Jean und Jeanne in deinem Roman, das sind doch wir, oder? Wusstest du gar nicht, dass wir eine Hochzeitsreise machen durften?«
    Jade stotterte verlegen.
    »Sagen wir, ich habe mich inspirieren lassen von dem, was ich über euch wusste, aber ich habe die Wirklichkeit etwas abgewandelt, weißt du …«
    »Nein, das weiß ich nicht!«, gab sie barsch zurück. »Ich kenne nur das echte Leben oder die Realität der Bücher. Ich weiß nicht, was es heißt, das Leben aufzuschreiben, es in eine Phantasieform zu übersetzen. Ich kenne keinen Schriftsteller außer dir. Und ehrlich gesagt habe ich mich am Anfang gar nicht wiedererkannt. Es hat eine ganze Weile gedauert, bis ich begriffen habe, wie du mich wahrgenommen hast.«
    »Ach, und wie, deiner Meinung nach?«
    »Wie eine Bäuerin, die sich hinter ihrem Mutterinstinkt versteckt, glaube ich.«
    »Hat die Figur dir als Leserin denn gefallen?«
    Mamoune lachte.
    »Wenn ich ehrlich bin, habe ich mich ein bisschen über sie geärgert. Daran siehst du, wie wenig ich mich in ihr wiedererkannt habe! Ich fand sie zu glatt. Weißt du, im Leben sagt man nicht alles, was man denkt, man denkt nicht alles, was man sagt, und man tut auch nicht alles, woran man glaubt. Diese Frau wirkte auf mich wie auseinem Block, ohne jedes Mysterium. Ihr fehlte dieses Individuelle,

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