Frühstück um sechs
worauf
alle nach Hause fuhren, um schlafen zu gehen. Das Stück ließ sich gar nicht so
übel an. Besonders lieblich wirkte Anne, wenn sie sich mit erstaunten
Kinderaugen nach dem einsamen Landleben sehnte und den verlassenen Ehemann zu
trösten suchte.
»Sie haben natürlich die Rollen
den Mitspielern gleich auf den Leib geschrieben«, sagte Julian, als wir Anne
ein Kompliment machten.
»Ein schöner Tribut für die
Leistung meiner werten Gattin«, sagte Sam lachend. »Na, Larry, wann wirst du
dich denn nun entscheiden, mich sitzenzulassen?«
Ihre Augen trafen sich mit
einem lachenden Blick von so vollkommener Einigkeit, daß niemand zu befürchten
brauchte, Sam müsse sich um Julian oder einen andern ernstlich Gedanken machen.
Larry war kolossal in ihrer
Rolle und hätte uns alle an die Wand spielen können, wenn sie gewollt oder
wenigstens ihren Text genau gelernt hätte. Statt dessen schlug sie sich mit
allerlei Witzchen durch, die ihr leicht wurden, weil sie schnell
>schaltete<, die uns aber die Einsätze erschwerten. Paul, der meistens im
Dialog mit ihr zu sprechen hatte, klagte bitter darüber, half sich jedoch
erstaunlich geschickt mit Improvisationen und löste beinah ebensoviel Gelächter
aus wie Larry.
Wir andern machten unsere Sache
schlecht und recht. Sam und ich spielten mit Hingabe das Elternpaar. Da mußte
ich Larry ermahnen, brav zu sein und zu ihrem Gatten zurückzukehren, während
Sam pfeiferauchend vor einem Feuer saß, das aus kalten Holzscheiten und rotem
Papier bestand. Er hatte seine Rolle sofort sorgfältig gelernt und brachte
niemand durch eigene Texte aus dem Konzept.
Tims Rolle war ziemlich
undankbar. Er trat als Mann von Welt auf, der früher Larry verehrt hatte und
nun die Kluft zwischen ihr und Paul erweitern half. Und er spielte nicht einmal
gut, sondern gab sich kalt und steif. Die Blicke, die er seiner Verehrten
zuwarf, sprachen mehr von Abneigung als von Verlangen.
»Ach, du meine Güte«, rief sie
eines Abends ganz böse, »kannst du mich nicht etwas fester in die Arme nehmen?
Vielleicht bin ich nicht hübsch, aber so häßlich schließlich auch wieder
nicht.«
»Quatsch!« rief Tim erbittert,
»soll man etwa der Heldin jedesmal die Rippen brechen, wenn man sie anfaßt! Zum
Donnerkeil, es sind doch Theaterumarmungen, also nimm das gefälligst nicht so
genau!«
»Aber du könntest wenigstens
aussehen, als ob es dir Spaß macht, und nicht wie ein Fisch mit
Lungenentzündung! Habe ich nicht recht, Julian? Kommen Sie mal her und machen
Sie’s ihm vor, ja? Sie sind doch
hier der Regisseur.«
Das war eine so klare
Provokation, daß Sam und Julian beide lachten, während Tim jetzt Larry einen
Blick zuwarf, den man als fast feindlich hätte deuten können, wären wir nicht
über ihre enge Freundschaft genau im Bilde gewesen. Er drehte ihr den Rücken
und wandte sich Anne zu, die ein ziemlich ratloses Gesicht machte.
Was mochte sie sich bei diesem
Verhalten wohl denken? Keiner wußte es. So jung sie noch war, besaß sie schon
große persönliche Würde. Nie sah ihr jemand die geringste Verärgerung an, auch
schien sie die Aufmerksamkeiten, durch die Julian ständig Larry auszeichnete,
gar nicht zu bemerken. Immer lächelte sie verbindlich, und abends setzte sie
sich mit der ruhigen Freundlichkeit einer Schwester zu Julian in den Wagen.
»Vor dem jungen Ding ziehe ich
meinen Hut«, sagte Paul unvermittelt, als wir nach Hause fuhren.
»Anne? Ja, in der steckt
allerhand, viel mehr als ich zuerst vermutet hätte. Aber findest du nicht, daß
Sam sich merkwürdig benimmt? Er müßte doch wenigstens ab und zu Larry einen
Dämpfer geben.«
Ein langes Schweigen folgte.
Wir waren wieder auf gefährlichen Boden geraten, denn es drehte sich ja um
Pauls beste Freunde. Doch auf einmal schien er sich entschlossen zu haben, mich
sozusagen ins Allerheiligste einzulassen. Er sagte langsam: »Es ist doch so:
Sam kennt Larry durch und durch und weiß, daß er ihr vertrauen kann. Aber es
gibt ja auch Pferde, die mit lockerem Zügel geritten werden müssen, weil sie
sofort durchgehen, wenn man die Kandare anzieht.«
Ich antwortete nichts, da ich
spürte, daß er keine Erwiderung wünschte und ja auch recht hatte. Dafür
belohnte er mich, indem er plötzlich ganz ungerecht sagte: »Diese Theaterstücke
sind ein Deubelszeug. Hättest du nicht lieber ein Buch schreiben können?«
Ein wenig hitzig erwiderte ich,
ein Buch hätte ja Miss Adams für das Konzert wenig genützt, er solle lieber
seine Wut
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