Frühstück um sechs
scheinbar harmlos und ohne Wimpernzucken. Larry sagte obenhin: »Wissen Sie, ich habe so ein Gefühl, als ob er den Schaden in dem dichten Gebüsch finden wird... Da kann so leicht ein Ast auf den Draht fallen.«
Tantchens Augen funkelten, doch ihr Gesicht blieb unbewegt.
»Und mein Gefühl sagt mir, daß Ihr Gedanke richtig ist. Vielen Dank, daß Sie Mick mitnehmen wollen — das erspart Zeit. Zum Glück sind bisher keine dringenden Anrufe gewesen, aber es kann ja jederzeit einer kommen.« Unhörbar für Larry — aber nicht für mich — murmelte sie: »Und Sie haben viel mehr Glück, als Sie verdienen.«
Bis zum heutigen Tage ist das Thema von den beiden nicht wieder berührt worden.
Sobald Larry und Mick fort waren, wurden wir drei plötzlich nett miteinander. Es war nach halb neun. Der Colonel wußte, daß er sein Spiel verloren hatte. Mit einer Unverfrorenheit, über die ich mich heute noch wundere, bat ich ihn, Anne doch wenigstens einen kurzen Gruß zu senden, nur ein Telegramm, sobald die Leitung wieder in Ordnung gebracht sei. Aber das verweigerte er und fuhr schließlich betrübt heim in seine leere Wohnung. Mein scheußliches Schuldbewußtsein wollte mich plötzlich zum Geständnis treiben. Da mir glücklicherweise noch einfiel, daß ich dann ja Larry mitbelasten würde, bewahrte ich die Ruhe und unterließ es.
Freilich war es eine ungeheure Erleichterung, alles vor Paul sozusagen ausschütten zu können, sobald ich zu Hause ankam. Er war völlig entgeistert, doch ich sah offenbar so elend aus, daß er seine Vorwürfe unterdrückte, mich ins Bett packte, mir Cognac einflößte und sich darauf beschränkte, schreckliche Verwünschungen gegen Larry zu brummeln, während er sich über die vernachlässigte Hausarbeit hermachte.
Später, als wir uns aussprachen, wollte es mir beim besten Willen nicht gelingen, ihm klarzumachen, daß die Sache auch ihre komischen Seiten hatte. Vielleicht hatte er recht mit seiner Bemerkung, Männer hätten mehr Achtung vor den Gesetzen als Frauen. Zuletzt sagte er langsam: »Na ja, ich habe immer gewußt, daß Larry bis zum Äußersten geht. Als Freundin mag sie ja prächtig sein, aber sie wird dich ins Gefängnis bringen. Also nimm dich um Himmels willen zusammen.«
»Oh, Paul, du darfst nicht böse mit ihr sein. So eine Freundin gibt’s nicht wieder! Sie hat kolossale Courage und setzt sich für ihre Freunde bedenkenlos ein.«
»Ja, gut, aber weißt du denn, zum Kuckuck, nichts Besseres anzufangen, als ständig an ihren Rockschößen zu hängen und dich von einer Klemme in die andere bringen zu lassen? Ist es dir nicht genug, daß du ein Baby bekommen wirst, einen Hausstand hast und auf der Farm mithilfst, ohne einen ganzen Bezirk durcheinanderzuwürfeln? Ich wünschte wahrhaftig, du schriebst ein Buch, dann bliebst du vielleicht mal eine Weile ruhig.«
Eine beachtliche Predigt für Pauls Verhältnisse. Ich wußte, daß ich sie verdient hatte, und bemühte mich nur noch, bedauernswert auszusehen. Wie unter einer Inspiration sagte ich: »Der Colonel hat mir leid getan, das kann ich nicht leugnen. Denk doch nur, wie uns zumute sein wird, wenn unsere Tochter uns einfach beiseite schiebt wegen eines Mannes, den sie kaum ein Jahr kennt!«
Paul sah unglücklich aus und grübelte gleich über diese in weiter Ferne drohende Tragödie. Aber bald war er wieder vergnügt und sagte: »Ja, mein liebes Kind, dagegen gibt es nur ein einziges Mittel — daß wir einen Sohn bekommen anstatt einer Tochter.«
»Aber ich möchte doch eine Tochter haben, und die werde ich auch kriegen!« — Bei seinen Bemühungen, mich zu überzeugen, daß ein Sohn erfreulicher sei, vergaß Paul prompt meinen ersten Ausbruch ins Kriminelle.
Das Ende der Liebesgeschichte zwischen Anne und Tim verlief programmgemäß, so wie wir es im Herzen schon gefühlt hatten. Larry tat, als langweile sie dieser Abschluß. Sie meinte, er sei genau so wie in altmodischen Märchenbüchern. Nachdem aber die Ehe geschlossen war, hätte nur ein Wahnsinniger versuchen können, sie zu sprengen oder einen endlosen Kampf gegen sie zu führen — und Colonel Gerard besaß, obwohl er zeitweilig den Kopf verlor, sehr viel gesunden Menschenverstand. Er wußte, daß er besiegt war und durch Opposition nur noch mehr verlieren würde. Freilich brauchte es Zeit, die Wunde zu heilen.
Nach vierzehn Tagen kamen Anne und Tim wieder zurück. Inzwischen war auch Julian wiedergekommen und hatte sich redlich für die beiden ins Zeug
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