Frühstück um sechs
gelegt. Die Gesellschaft dieses vernünftigen jungen Mannes hatte den alten Herrn erheblich ruhiger gestimmt, doch selbst Julian vermochte nicht, ihn zu einem freundlichen Empfang seiner heimkehrenden Tochter zu überreden. Er hatte auf keinen der Briefe geantwortet, die sie ihm seit der Heirat fast täglich schrieb, und sobald sie ihm das Datum ihrer Heimkehr mitteilte, fuhr er unter dem Vorwand wichtiger Geschäfte zur Stadt und nahm Logis in seinem gewohnten Hotel. Sein falscher Stolz hinderte ihn sogar, für Anne ein paar schriftliche Worte von Liebe und Verzeihung zu hinterlassen.
Zurück aber kam die Anne von früher, nicht die leidenschaftliche junge Frau, die sich mit ihm so wild gestritten hatte. Das Glück hatte ihm seine geliebte kleine Tochter wiedergegeben, die nichts verlangte als seine väterliche Liebe und Güte. Nachdem sie in der alten Wohnung alles mit Julian besprochen hatte, fuhr sie schon zwei Tage später ihrem Vater nach. Wie es ihr mit ihm erging, wußte keiner von uns, doch ich glaube kaum, daß sie es sonderlich schwer gehabt hat, ihn zu versöhnen. Allein, daß sie sogleich aus ihrem neuen Heim und von ihrem Mann zu ihm gefahren war, mußte doch tröstlich für ihn gewesen sein. Drei Tage darauf kamen sie zusammen zurück. Anne war wieder das lachende, strahlende junge Mädchen wie bei unserer ersten Begegnung.
Colonel Gerard bewies erneut, daß er nichts halb tat, wenn er sich zu einem Entschluß durchgerungen hatte. Er fuhr sofort zu dem kleinen Haus, das Tim bewohnte, und fand seinen Schwiegersohn im Gemüsegarten. Etwas krampfhaft lächelnd deutete er auf Anne, die eben aus dem Auto stieg. Mit den Worten: »Ich bringe dir zurück, was dir gehört — und vielen Dank für die Leihgabe«, hielt er ihm die Hand hin.
Dem stets großzügigen Tim genügte das glückliche Lächeln seiner kleinen Frau, um dem Panjandrum die Hand zu schütteln. Larry aber meinte, die Szene sei wie aus einem altmodischen Theaterstück gewesen, als die Menschen sich noch nicht um Komplexe und dergleichen kümmerten.
Die neue Freundschaft zwischen Vater und Tochter kam zwar nicht sofort zu voller Blüte, doch der Colonel annullierte den Verkaufsvertrag für seine Farm, während Anne unbedingt darauf hielt, ihren Vater täglich zu besuchen. Und schon sehr bald erschien er häufig und lange in dem Häuschen am Berghang, das so viel kleiner als seins. Zu mir sagte er eines Tages, indem er absichtlich eine bärbeißige Miene aufsetzte: »Wenn Sie in Ihrem Leben jemals recht gehabt haben, verehrte junge Dame, dann mit Ihrer Behauptung, daß Tim ein prächtiger Mensch ist! Wir stehen, seitdem ich einmal gleichsam an seiner Schulter geweint hatte, viel vertrauter miteinander. Die steife Förmlichkeit mir gegenüber hat er inzwischen aufgegeben.«
Larry war recht betrübt, daß die Fehde einen so zahmen Abschluß fand. Sie brachte es noch immer nicht über sich, an ihrem alten Feind gute Eigenschaften zu entdecken.
»Richtig zu sich gekommen ist er erst«, sagte sie orakelhaft, »als ihm die Fotografie des bewußten alten Bischofs in die Hände fiel und er feststellte, daß es sich um einen Onkel von Tim handelte. Das tröstete ihn gewaltig, aber noch längst nicht so wie die wunderbare Enthüllung, daß Tims Mutter eine hochwohlgeborene Soundso aus Leicester war. Ihr müßt doch direkt hören können, wie er bei seinen Kumpanen angibt: >Mein Schwiegersohn, natürlich Frontsoldat gewesen, seine Mutter war eine geborene Soundso aus Leicester — Sie wissen ja, große Jäger vor dem Herrn...<«
Das war entschieden stark übertrieben, und ich wollte nichts davon hören. Von jetzt an stand ich ganz auf der Seite der Eltern. Eltern müssen zusammenhalten!
Tantchen, die mit Larry niemals über die Störung der Telefonleitung sprach, sagte einmal mit wohleinstudierter Gleichgültigkeit zu mir: »Mick O’Connor ist ein mißtrauischer Mensch, ihm hat die Sache mit der Telefonleitung keine Ruhe gelassen. Neulich sagte er zu mir: >Da war ja gar kein Draht gerissen. So ein verflixter Ast ist nämlich draufgefallen und — zack, war der Draht durch, als hätte ihn der Erzengel Michael persönlich mit seinem goldenen Schwert durchgehauen!< Aber dann fügte er unzweideutig hinzu, es würde ihn nicht überraschen, wenn sich herausstellte, daß in jener dunklen Nacht eine finstere Tat begangen worden wäre.«
Mein Herz wollte aussetzen, mit unsicherer Stimme sagte ich:
»Nein, wie ist so etwas möglich! Und was haben Sie ihm
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