Frühstück um sechs
die nicht getanzt hatten und schwatzend in der Nähe des Eingangs standen. Sie kamen erst wieder zum Vorschein, wenn auf dem Klavier, vor dem ein stämmiger Mann mit rotem Gesicht saß, der zugleich als Tanzmeister fungierte, eine neue Melodie angeschlagen wurde.
Es war Mick O’Connor, Tantchens spezieller >Freund<. Er trug ein komisch wirkendes, bunt gestreiftes Sportjackett und schrie jedesmal, wenn er auf die Bühne kletterte: »Nun mal ‘ran mit euch, Jungs! Diesmal ist’s bestimmt ein Walzer.«
Bald waren alle von der Tanzlust gepackt. Jede tanzte mit jedem, wie es sich gerade fügte. So ging es fröhlich durch die Quadrillen und viele andere Tänze, die mir völlig unbekannt waren. Wir amüsierten uns alle großartig und beschlossen, oft herzukommen. Freilich war zu bedenken, wie der Colonel sich dazu stellen würde.
Das Merkwürdigste war, daß Anne wenig mit ihrem Vetter tanzte, mit dem sie, wenn wir den Gerüchten glauben konnten, doch schon so gut wie verlobt war. Sie schien sich viel mehr mit Tim abzugeben, und die beiden waren ein hübsches Paar, obgleich sie ihm nur bis zu den Schultern reichte. Ihr rundes Kindergesicht strahlte vor Glück, es bildete einen feinen Kontrast zu seinem schönen dunklen Kopf.
Ich bedauerte eigentlich Julian, doch als ich mitleidig nach ihm Umschau hielt, sah ich, daß er ebenso glücklich war. Er tanzte unglaublich schwungvoll, ausnahmslos mit Larry. Obgleich sie nur ein Nachmittagskleid und er einen grauen Anzug trug, brachten sie es fertig, wie ein Paar aus einer Modezeitschrift auszusehen. Aber was mochte Sam denken? Auch um ihn brauchte ich mich nicht zu sorgen. Er amüsierte sich ausgezeichnet, tanzte mehrmals mit mir und noch öfter mit Mrs. Archer, die er von ihren Pflichten in der Küche weggelotst hatte. Sie war eine auffallend gute Tänzerin.
Beim Abendessen erreichte mich die Nemesis in Gestalt von Mrs. Grant. Selbstverständlich war ich so nachgiebig, wie Larry verkündet hatte: Ich demütigte mich mit ganz unnötigen Entschuldigungen, die sie kaum zur Kenntnis nahm, und versprach ihr, sie nächste Woche zu besuchen. Mein Gewissen zwang mich, bei ihr zu bleiben, während die andern vorn am Podium eine lustige Gesellschaft waren. Natürlich nutzte sie ihre Gelegenheit voll aus.
»Nein, wenn man so bedenkt — die Tochter des Colonel! Noch dazu, wo er in die Stadt gefahren ist. Na ja, wenn die Katze weg ist — Sie wissen ja. Aber es ist wundervoll, was eine nette, fröhliche Gesellschaft ausmacht! So so, das ist also ihr junger Mann. Ein hocheleganter Herr. Scheint für Mrs. Lee mächtig eingenommen zu sein, aber die ist ja imstande, mit jedem zu flirten.«
Ich freute mich innig darauf, Larry diese Bemerkung zu übermitteln. Das hatte sie, glaube ich, verdient.
»Ich finde, für ein Mädchen, das ans Londoner Gesellschaftsleben gewöhnt ist, muß es hier doch langweilig sein. Hat sich wohl extra für uns bescheiden angezogen, wie? Das blaue Kleid ist fast genau wie meins zu Hause, nur ist meins wohl doch eleganter. Habe es mir selbst geschneidert. Aber diese Mrs. Lee, die benimmt sich ja reichlich hochfahrend, ihr Mann weiß eigentlich nie, wie er mit ihr dran ist.«
In diesem Moment erlöste mich Mrs. Jolson. »Oh, Mrs. Russell, haben Sie meine Elizabeth schon gesehen? Kommen Sie doch mit und schauen Sie sie an.«
Mrs. Grant hatte gerade noch Zeit, zu murmeln: »Hoffentlich bleibt das Kind so süß! Die Leute sagen ja, sie hätte es aus einem Heim geholt.« Das Wort Heim sprach sie aus, als meinte sie die Hölle. Ich entfernte mich schleunigst.
Als wir aus der Garderobe kamen, wo wir das schlafende Baby bewundert hatten, wartete Paul auf mich.
»Komm«, sagte er, »das ist unser letzter Tanz. Wollen lieber sehen, daß Anne nach Hause kommt, ehe der Colonel den Rest der ehemaligen Heimwehr zur Suche ansetzt.«
Sonderbar, wie wenig Paul mit mir getanzt hatte. Die eine Woche unserer fröhlichen Stimmung vor der Verlobung schien schon in weiter Ferne zu liegen. Unsere Schritte paßten freilich noch gut zusammen, und der Tanz war mir viel zu kurz. — Nach flüchtigem Abschied von Mrs. Archer empfahlen wir uns französisch.
»Na, also dann, meine Liebe, kommen Sie wieder, mit den andern zusammen. Mrs. Lee wird uns weniger schlimm finden, wenn sich sich erst an uns gewöhnt hat.«
Hiergegen vermochte selbst Larry nichts Bissiges zu sagen.
Diesmal gab es auch kein Hin und Her über die Wagen. Anne stieg lammfromm in Julians Limousine, Tim ratterte
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